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Als Angela Merkel 2006 mit Benedikt XVI. in München zusammentraf, galt noch: "Wir sind Papst" - wenngleich die deutsche Kanzlerin schon etwas skeptisch schaut. Derzeit ist das Verhältnis angespannt.

Foto: AP/Frank Augstein

Die ungewöhnlich scharfe Rüge der deutschen Kanzlerin Angela Merkel an Papst Benedikt XVI. hat im Vatikan Entsetzen ausgelöst. Man befürchtet dort "antikatholische Ressentiments" , zumal die Kritik andauert.

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Berlin/Rom/Wien - Georg Brunnhuber ist nicht nur Österreich-Fan, sondern hat auch gute Kontakte in den Vatikan. Und so war der CDU-Abgeordnete aus Baden-Württemberg, der seit 1994 der deutsch-österreichischen Parlamentariergruppe vorsteht, am Mittwoch genau am richtigen Ort. Er wurde im Vatikan im Rahmen der Generalaudienz vom Papst empfangen.

Dabei erlaubte ihm der aus Deutschland stammende Pontifex so tiefe Einblicke in seine von Kanzlerin Angela Merkel verursachten Seelenqualen, dass Brunnhuber dies nicht für sich behalten konnte. Kaum nach Deutschland zurückgekehrt, erklärte er am Donnerstag in einem Interview mit der Financial Times Deutschland (FTD): "Im Vatikan ist man über die Diskussion in Deutschland geradezu entsetzt. Es herrscht der Eindruck, dass alle antikatholischen Ressentiments, die in Deutschland schlummern, jetzt an die Oberfläche kommen."

Mit Kritik an Merkel sparte Brunnhuber auch nicht. Sie hatte den Papst nach der Rehabilitierung des britischen Bischofs, Holocaust-Leugners und "Pius-Bruders" Richard Williamson zur Klarstellung aufgefordert, dass der Holocaust nicht geleugnet werden könne. Brunnhuber: "Viele CDU-Mitglieder halten die Einlassungen der Kanzlerin nicht für richtig." Mittlerweile könnte die aber dafür neuen Grund haben: In einem SWR-Interview soll der Distriktobere der Pius-Bruderschaft in Deutschland, Franz Schmidberger, den Propheten Mohammed indirekt mit einem Kinderschänder vergleichen.

In der SPD hingegen sieht man das anders. Von einem "schweren, historischen Fehler" spricht SPD-Chef Franz Müntefering. Das Oberhaupt der Katholiken habe "gerade deutlich demonstriert, dass auch ein Papst hier nicht unfehlbar ist".

Dankbar für Merkels klare Worte sind Überlebende des Vernichtungslagers Auschwitz. "Wir empfinden ihre eindeutige Stellungnahme auch als menschliche Zuwendung den Opfern gegenüber" , sagen sie. Merkel sandte am Donnerstag jedoch auch erste Versöhnungssignale. Nach einem Gespräch mit Brunnhuber ließ sie diesen erklären: Auch die Kanzlerin sei mit den an Bischof Williamson gerichteten Forderungen (Widerruf der Holocaust-Leugnung, Anm.) einverstanden.

SPÖ, ÖVP: Kein Kommentar

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) wollen es Merkel nicht gleichtun: Beide verweigerten auf Anfrage des Standard einen Kommentar zu der heiklen Causa. Bundespräsident Heinz Fischer verurteilte am Donnerstag die Leugnung und Verharmlosung des Holocaust scharf. Bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden der "Appeal of Conscience Foundation" , dem aus Wien stammenden Rabbiner und Holocaust-Überlebenden Arthur Schneier, bezeichnete Fischer die Judenverfolgung als eine "millionenfache Summe von unfassbaren, systematisch vorbereiteten und organisierten Verbrechen gegen das jüdische Volk, die unvergesslich bleiben werden". Wer den Holocaust leugne, verharmlose oder relativiere, schließe sich aus dem Kreis jener aus, denen die historische Wahrheit und die Grundwerte im Bereich der Menschenrechte wichtig seien. (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 6.2.2009)