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Wenn dein Name nicht Pedro-Luigi oder Alfonso ist, bewirb dich gar nicht" - derzeit sind sich britische Arbeiter selbst näher als die EU-Kollegen.

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Die Proteste britischer Raffineriearbeiter gegen den Einsatz von Italienern und Portugiesen in ihrem Land alarmieren den Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB): "Diese Sache wirkt entflammbar, und sie könnte jederzeit in fast jedem Land ausbrechen" , sagte EGB-Generalsekretär John Monks am Mittwoch. "Die explosive Qualität war, dass 300 britische Arbeiter gefeuert wurden und 300 Italiener kamen, die auf einem Schiff vor der Küste untergebracht wurden." Den Arbeiterprotesten in Großbritannien folgten ausländerfeindliche Reaktionen der extremen Rechten.
Österreich will indessen in Brüssel - nicht zuletzt aufgrund der Wirtschaftskrise - durchsetzen, dass die Arbeitsmarktschranken für Menschen aus den 2004 der EU beigetretenen Ländern zum spätestmöglichen Zeitpunkt, 2011, fallen. EU-Kommissar Vladimír Špidla sagt dazu: "Die Errichtung neuer Grenzen wird keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen."

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Die Zeit läuft. Österreich hat bis Ende April Zeit, um in Brüssel zu erklären, warum es seinen Arbeitsmarkt für Menschen aus den 2004 der Union beigetretenen Ländern erst 2011 öffnen will, und nicht schon im Mai 2009 - so wie in den Übergangsbestimmungen für alle EU-Mitglieder fixiert.

Sozial- und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer will, hieß es am Mittwoch aus seinem Ministerium, "grundsätzlich eine Verlängerung bis April 2011". Damit bleibt der ehemalige ÖGB-Chef voll auf seiner früheren Sozialpartner-Linie. Die liberaleren Pläne seines Vorgängers, Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) sind seit der Regierungsbildung Makulatur.

EU-Sozialkommissar Vladimír Spidla verteidigt die angestrebte Öffnung der Arbeitsmärkte: "Die Niederlassungsfreiheit ist eine der fundamentalen EU-Grundsätze, und aus unseren Erfahrungen und Beobachtungen geht klar hervor, dass dieses Prinzip zur Schaffung von Millionen von Jobs beigetragen hat. Die Errichtung neuer Grenzen wird hingegen keinen einzigen neuen Arbeitsplatz schaffen," sagte Spidla auf Standard-Anfrage.

Verständliche Bedenken

Die Bedenken der Bürger, wie sie in Großbritannien angesichts steigender Arbeitslosigkeit gegen Gastarbeiter laut werden, verstehe man "sehr gut". Deshalb nütze die Kommission alle Werkzeuge, um Menschen konkret zu helfen. "Wir mobilisieren den Europäischen Sozialfonds und andere Strukturfonds, um Arbeitsplätze zu erhalten und für diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, schnellstmöglich einen neuen zu finden", versichert Spidla. Die Entsenderichtlinie sei ein gutes Werkzeug, um die Balance zwischen sozialem Schutz und notwendigen wirtschaftlichen Freiheiten zu halten - und "unfairen Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten zu verhindern".

Wifo-Arbeitsmarktexperte Peter Huber hält es "aus europäischer Perspektive natürlich bedauerlich", wenn die Bewegungsfreiheit von EU-Bürgern eingeschränkt werde. Aus österreichischer Sicht sei eine Aufrechterhaltung des Status quo "hingegen verständlich, weil ein Unsicherheitsfaktor aus dem Arbeitsmarkt genommen" werde - auch wenn ein Einbruch auf dem Arbeitsmarkt, wie ihn Wifo, aber auch Arbeitsmarktservice prognostizieren, dadurch nicht zu vermeiden wäre. Wichtig sei in der schwierigen Wirtschaftslage, "dass Österreich uno acto mit Deutschland agiert". Weiters dürften Liberalisierungsschritte - etwa die Öffnung von Berufen für Facharbeiter, wenn Bedarf herrscht - nicht aufgrund von "Angst im politischen Umsetzungsprozess" aufgeschoben werden, so Huber.

IV ist dagegen

Nicht abfinden will sich mit der zum Regierungsprogramm gewordenen Abschottung Österreichs durch die Sozialpartner einzig die Industriellenvereinigung. Sie kann mit den 67 Verordnungen für bestimmte Fachkräfte leben, sieht in der Freizügigkeit aber mehr Chancen als Risiken. Man wolle ja ohnehin nicht die Hilfsarbeiter, sondern Fachkräfte. "Wir sind es den neuen EU-Ländern auch schuldig, die Grenzen zu öffnen", heißt es. (Michael Moravec, Leo Szemeliker Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.2.2009)