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Tom Daschle "vergaß", Steuern zu zahlen, und musste daher seine Kandidatur als Gesundheitsminister zurückziehen.

Foto: Reuters/Larry Downing

Mit einem schnellen Schuldeingeständnis versuchte Barack Obama, den Schaden aus der Affäre Tom Daschle geringzuhalten. Obama kam aber der Mann abhanden, der seine Gesundheitsreform hätte umsetzen sollen.

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Keine Ausflüchte, keine Wortgirlanden, kein Politchinesisch. Barack Obama versuchte erst gar nicht, der ersten Krise seiner Amtszeit etwas Positives abzugewinnen. Mit zerknirschter Miene saß er vor Brian Williams, dem Interview-Altmeister des Senders NBC, und stellte eine rhetorische Frage. "Hab ich's in dieser Lage vermasselt? Absolut, ich bin bereit, die volle Verantwortung zu übernehmen." Man dürfe nicht den Eindruck erwecken, als gäbe es zwei verschiedene Regelsätze, "einen für Prominente, den anderen für normale Leute, die ihre Steuern zu bezahlen haben".

Schadensbegrenzung Marke Obama. Nicht nur einmal, sondern fünfmal stellte er sich Fernsehreportern zum Gespräch, nachdem mit Tom Daschle eine der Schlüsselfiguren seines Kabinetts über eine Steueraffäre gestolpert war. Der selbstkritische Tonfall war dabei stets der gleiche. Das fünffache Mea culpa soll der Nation signalisieren, dass da einer im Oval Office sitzt, der wirklich mit sich hadert, der nicht vergessen hat, was er beim Amtsantritt versprach.

Ärger über das Team

Eine "neue Ära der Verantwortlichkeit" wollte Obama einläuten, sauber und hochmoralisch sollte es in seiner Riege zugehen. Old Washington, das Washington der Kungelrunden und Lobbyisten, sollte gläserner Transparenz weichen. Umso spöttischer ließ der Ärger mit Daschle die Kritiker fragen, ob "Change" nicht doch nur eine Parole für schöne Wahlreden sei.

"Ich ärgere mich über mich selbst und über mein Team", entgegnet der Präsident. Das Team sollte jeden, der sich um ein hohes Amt bewarb, auf Herz und Nieren prüfen. Die Fragebögen, die Obamas Personalchefs verschickten, waren die längsten in der Geschichte amerikanischer Administrationen. "Haben Sie Steuerschulden?", lautete Frage 37. Daschle hat sie falsch beantwortet und seinem alten Freund Barack Obama einen Bärendienst erwiesen. Er versäumte es, 128.000 Dollar an geldwerten Vorteilen zu versteuern. Der Medienmogul Leo Hindery, den er beriet, hatte ihm eine Limousine samt Chauffeur zur Verfügung gestellt. Angeblich wusste Daschle nicht, dass er dies unter der Rubrik Einnahmen hätte angeben müssen.

Wie auch immer, Obama kommt ein Vertrauter abhanden, der eines der zentralen Versprechen in die Tat umsetzen sollte, die Gesundheitsreform. An Daschle war es, die nötige Kleinarbeit zu leisten. Gegen hartnäckigen Widerstand sollte er die universale Krankenversicherung durchboxen, ein Dach, unter dem auch die 47 Millionen nichtversicherten Amerikaner endlich Schutz finden sollen. Wie schwierig das noch wird, weiß Ex-Präsident Bill Clinton, der 1994 mit einem ähnlichen Projekt gescheitert war. Beim zweiten Anlauf sollte Daschle all seine Erfahrung in die Waagschale werfen. Lange führte er die Fraktion der Demokraten im US-Senat, er kennt die Feinheiten des parlamentarischen Betriebs wie kaum ein Zweiter.

Was für den umjubelten Hoffnungsträger auf dem Prüfstand liegt, ist die Glaubwürdigkeit des Neubeginns. Sie wiegt schwerer als jede Einzelpersonalie. Einen wichtigen Minister konnte und wollte Obama trotz nichtbezahlter Steuern noch verteidigen, einen zweiten nicht mehr. Timothy Geithner, Chef des Finanzressorts, ein Experte, den Kenner als unverzichtbaren Krisenmanager charakterisieren, hatte von 2001 bis 2004 vergessen, Sozialabgaben an den Fiskus abzuführen.

Nüchterne Beobachter merken an, dass ein paar Stolperer auf den ersten Metern zu einem Neuling im Weißen Haus gehören. In der jüngeren Vergangenheit gab es keinen Präsidenten, dem es gelang, sein Wunschkabinett vollzählig durch das robuste Bestätigungsverfahren im Senat zu bringen. Glaubwürdigkeit und Integrität, das seien die wichtigsten Waffen eines Reformers, kommentiert die New York Times. Obama habe gezeigt, dass er beides besitze, allein durch die erfrischende Offenheit, mit der er Fehler zugebe. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 5.2.2009)