Wien - Sein Mandant habe nur "versucht, die Mitarbeiterin zur Herausgabe des PIN-Codes zu überreden" , sagt der Anwalt Martin Nemec zum Standard, "da erschien ihm das Argument mit der Politik gerade geeignet" .

Nemec vertritt Wolfgang W., jenen leitenden Buchhalter der Bundesbuchhaltungsagentur, der verdächtigt wird, knapp 17 Millionen Euro von Konten der Republik (aus Mitteln des Arbeitsmarktservice AMS) an private Empfänger verschoben zu haben - vor allem an das Schulungsinstitut "Venetia" , für das er auch fingierte Schuldscheine in Höhe von 43 Millionen Euro bestätigte. Der Mann, der laut Staatsanwaltschaft, ebenso wie der "Venetia" -Geschäftsführer Kurt D., großteils geständig ist, soll seine Mitarbeiterin zum Datentransfer überredet haben, indem er ihr gesagt haben soll, es sei "politisch nicht gewollt" , dass das vor der Insolvenz stehende Institut "sterbe" .

Nemec: "Mein Mandant stand unter immer größerem Druck, nachdem er dem ,Venetia‘-Geschäftsführer einen Schuldschein bestätigt hat." "Dubiose Leute im Hintergrund" sollen Wolfgang W. geängstigt haben.

Karl Öllinger, Sozialsprecher der Grünen, hält die Aussagen des Anwalts für "Schutzbehauptungen" . Der insgesamt verursachte Schaden von 60 Millionen Euro sei "erst der Anfang" , deutet Öllinger dunkel an: "Es gibt Hinweise, dass noch viel mehr Geld abgezweigt wurde - nicht über die AMS-Schiene, sondern weit darüber hinaus." Es sei zumindest eine dritte Person involviert.

Mittlerweile wird allerdings klar, wo die Kontrollmechanismen der Bundesbuchhaltungsagentur wohl versagt haben. Im jüngsten Rechnungshofbericht monieren die staatlichen Prüfer unter anderem unter Punkt 28.2, dass es in der vom Finanzministerium ausgelagerten Agentur keine "grundsätzliche organisatorische Trennung von Verrechnung und Nachprüfung" gebe - und empfehlen dringend eine Organisationsänderung.

Das seit 2007 de facto zahlungsunfähige Schulungsinstitut verdiente lange Zeit mit Job-Coaching, Deutschkursen und Berufsorienterung sehr gut. Mittlerweile vertritt die Arbeiterkammer rund 50 ehemalige Mitarbeiter, die ausstehende Honorarforderungen haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter in dem Betrugsfall.
Falls die Ermittlungen stocken, könnte die Staatsanwaltschaft übrigens auf Hilfe von außen zurückgreifen: Der Sohn des verdächtigen Geschäftsführers bewirbt sich via Internet als privater "Ermittler für Wirtschaftskriminalität" . (stui/DER STANDARD-Printausgabe, 4. Feber 2009)