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"Die Wirtin" Sandra Cervik und ihr Kellner (Xaver Hutter).

Foto: APA

Wien - Goldoni, der sich von der Wirklichkeit Venedigs inspirieren ließ, erschuf mit seiner Locandiera (Die Wirtin, 1753) statt einer bloßen Typenfigur einen individuellen Charakter. Mit seiner tüchtigen Gastwirtin zeigte Goldoni, der sein Theater an das einfache Volk, an arme Fischer, Diener und Krämer richtete, nicht so sehr die Emanzipation, sondern vielmehr das durch seine Tugenden den Adeligen überlegene arbeitende Bürgertum.

Der durch seine Strebsamkeit, Treue und Aufrichtigkeit bei Goldoni aufgewertete dritte Stand opponiert gegen die komischen Figuren des Adels, die schon allein durch ihre Namen (Rippafratta, Albafiorita, Forlipopoli) der Lächerlichkeit preisgegeben werden.

Peter Turrini verlegt das Geschehen in seiner nun überarbeiteten Interpretation der Wirtin an einen adriatischen Badeort der 1950er-Jahre. Dort floriert Mirandolinas (Sandra Cervik) Geschäft dank der hoffnungsfroh stimmenden Touristenwelle ganz ausgezeichnet. Italien erfindet sich gerade neu, denn deutsche Urlauber lassen jeden einfachen Bürger,der genügend Fleiß und Geschäftssinn hat, ein gutes Auskommen finden.

Vom Aufschwung ist im tristen Bühnenbild von Kaspar Zwimpfer allerdings wenig zu spüren: Große Plexiglasscheiben gähnen in schmutziggrauen Wänden einer trostlosen Vorstadtkantine.

Die adeligen Herren, deren Liebe Cervik hinternwedelnd mit einem Putzlappen aufsaugt, haben es nun in der Nachsaison auf die prächtigen Sommereinnahmen der erfolgreichen Wirtin, beziehungsweise auf ihr sonnengebräuntes Dekolleté abgesehen. Der verarmte Marchese von Albafiorita (Florian Teichtmeister) frisst Krümel von den abgeräumten Tellern, Baron von Ciccio (Fritz Muliar) lockt Mirandolina mit Ohrringen im Rollstuhl auf seinen Schoß. Der misogyne Ritter Rippafratta (Ulrich Reinthaller) ist in zweihundert Jahren zum knallharten Immobilienhai geworden.

Schlüpfrige Absichten

Anstelle sich die Motive hinter den Verführungskünsten der selbstständigen, standesbewussten Wirtin, die den Kellner Fabrizio (Xaver Hutter) am Ende keineswegs aus Liebe erwählt, näher anzusehen, inszeniert Janusz Kica am Theater in der Josefstadt eine derbe Anbandler-Posse, die den durchaus humorvollen Mehrwert des Stückes auf Schlüpfrigkeiten reduziert. Vor allem die Charaktere der hofierenden Herren werden arg verwässert:Weder hinter dem zappeligen Hungerleider, den Teichtmeister spielt, noch hinter dem stoischen Ciccio mag man erklärte Absichten, welcher Art auch immer, erkennen. Und weshalb sollte die begehrte Mirandolina nur ernstlich an Reinthallers blassem, windigem Rippafratta, der sich ungeschickt in Leiternsprossen verfängt und dabei eigentlich als Einziger die universelle Liebe begreifen und das Spiel durchschauen sollte, Interesse entwickeln?

Immerhin Xaver Hutter nimmt man die neapolitanischen Flüche wie den schmierigen Proletarier auf Perspektivensuche ab. Er ist ganz offen hinter Mirandolinas Gastwirtschaft her und nimmt darüber seine Konkurrenten viel zu ernst. Mirandolina weiß bei Turrini wie bei Goldoni, dass sie besser unter ihresgleichen bleibt - die Schlitzohrigkeit Fabrizios ist ihr weit lieber als die Gerissenheit eines Cavaliere. Im Grunde umfassend schwache darstellerische Leistungen machen den knapp zweistündigen Abend trotz flotter Dialoge lang und schwer. (Isabella Hager, DER STANDARD/Printausgabe, 31.01/01.02.2008)