Standard: Was halten Sie vom Konjunkturankurbelungsprogramm des US-Präsidenten? Reicht das?

Soros: Es sind zumindest zwei weitere Stützen in den USA nötig. Die eine ist die Reorganisation des Hypothekensystems und die Stabilisierung des Immobilienmarktes. Die andere ist die Rekapitalisierung des Bankensystems und die Wiederherstellung der Kreditgewährung. Ohne diese beiden Bereiche schafft das Stimulierungsprogramm nur Erleichterung, aber führt nicht zu einer Kehrtwende der Wirtschaft. All diese Vorhaben sind notwendig.

Standard: Wie schätzen Sie die Lage für Österreich ein?

Soros: Es gibt ein großes, großes Problem auf der internationalen Ebene. Das trifft insbesondere auch auf Österreich zu. Die österreichischen Banken sind sehr stark in Osteuropa engagiert.

Standard: Was halten Sie davon, dass die österreichischen Banken, unterstützt von der Regierung, von der EU ein Bankenrettungspaket für Osteuropa verlangen?

Soros: Man braucht eigentlich einen globalen Rettungsplan. Denn die Länder an der Peripherie, wie beispielsweise Osteuropa, leiden sehr stark unter der Finanzkrise. Die Verbindlichkeiten können sie überrollen. Sie wissen oft nicht, wie sie das finanzieren können. Es gibt ein Problem mit dem Bankensystem in den aufstrebenden Märkten, das durch den Kollaps des Bankensystems in der entwickelten Welt ausgelöst wurde. Das ist nur ein Problem. Das andere ist die Notwendigkeit, sich an Konjunkturankurbelungsmaßnahmen zu beteiligen und eigene Pakete zu schnüren. Aber sie haben im Gegensatz zu den USA keine Möglichkeiten, das zu finanzieren. Deshalb braucht es international abgestimmte Maßnahmen.

Standard: Wer soll diese Koordinierungsaufgabe übernehmen?

Soros: Vor allem die Weltbank und der Internationale Währungsfonds.

Standard: Auch für Osteuropa? Sollte das nicht vorrangig Sache der EU sein?

Soros: Für Osteuropa soll das die EU machen. Aber selbst innerhalb Europas werden die Rettungsaktionen für das Bankensystem von jedem Staat einzeln gemacht. Aber eigentlich sind diese Länder alleine gar nicht stark genug, um ihr Bankensystem zu stützen.

Standard: Was halten Sie von der Bad-Bank-Idee, also der Möglichkeit, problematische Wertpapiere in genannte Bad Banks auszulagern?

Soros: Man bräuchte eine Art Vereinbarung über verlorenes Kapital, damit die Last geteilt wird, und woran jedes Land sich beteiligt, sonst leiden noch mehr Staaten.


Standard:
Der Internationale Währungsfonds forciert das. Sollte die EU Ihrer Meinung nach in dieser Richtung aktiver werden?

Soros: Die EU sollte das machen. Wenn sie das nicht macht, dann dürfte der Euro diese Krise nicht überleben. Wir haben sehr ernste Probleme auf internationaler Ebene. Nur auf Konjunkturankurbelungsprogramme zu setzen reicht nicht aus. Aber es gibt noch zu wenig Aufmerksamkeit dafür, dass weit mehr notwendig ist.

Standard: Vor einem Jahr haben Sie die schlimmste Krise seit Ende des Zweiten Weltkrieges vorhergesagt. Haben Sie das Ausmaß der Krise richtig eingeschätzt?

Soros: Die Krise hat sich eigentlich als schlimmer herausgestellt, das habe selbst ich nicht erwartet. Der Kollaps der Lehman-Bank war ein Wendepunkt-Ereignis. Ich habe erwartet, dass die Krise bis an den Rand des Abgrundes reicht, aber nicht darüber hinaus. Wir sind weitermarschiert. Eigentlich ist das Finanzsystem kollabiert. Es gibt jetzt eine künstliche Lebenshilfe. Das Ausmaß ist viel schlimmer als erwartet.(Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.1.2009)