"The Promise, the Land": Adi Ness

Foto: ok-centrum/Adi Ness

Mit teilweise grimmigem Witz kommentieren jüdisch-israelische Künstler dieser Tage ihr ambivalentes Verhältnis zu ihrem Land. Im Linzer O.K Centrum für Gegenwartskunst zeigt die Ausstellung "The Promise, the Land" schräge Blicke auf Fakten und Fiktionen in einem Zustand omnipräsenter Selbstverteidigung.


Linz - Selbstwahrnehmung in prekären Zeiten, in denen die obsolete Unterscheidung zwichen "Tätern" und "Opfern" für die eigene Identitätsbestimmung nur bedingt weiterhilft: Ähnlich wie im Deutschland der Nachkriegszeit sind gegenwärtig in Israel Künstler und Intellektuelle damit befasst, ihr Verhältnis zu Politik und Gesellschaft auszuloten. Was bedeutet beispielsweise "jüdische Vergangenheit", wenn sie sich aus diversen Herkunftsländern speist?

Für die Kunst wie auch für die Theorie folgt daraus, was oft in ideologisch aufgeladenen Kontexten gilt: Die Fragen, die gestellt werden, sind mitunter präziser als die Antworten. Es dominiert, wie gegenwärtig in zahlreichen Dokumentarfilmen zum Thema, ein suchender Blick: Fahrten durch und Schwenks über Gesichter und Landschaften, aus denen sich der Betrachter Erkenntniswerte selbst zu einem (wiederum fragmentarischen) Bild montieren muss.

So auch bei der Ausstellung The Promise, the Land, die am Donnerstag im Linzer O.K Centrum für Gegenwartskunst eröffnet wurde: Als Auftakt eines größeren Projekts "Israel Palästina" beschränkt sie sich auf jüdisch-israelische Arbeiten.

Wobei aus der Perspektive der Wiener Kuratoren Thomas Edlinger, Stella Rollig und Ronald Schöny eine abstrahierende, oft kartografische Vermessung eines abgeschotteten, fremden Landes leitmotivisch anklingt. Sei es in den Raumplänen von Zvi Efrat, die bereits vor dem O.K eine Aufsehen erregende Installation der letzten Biennale in Venedig variieren: Eiserne Lamellen geben beschränkt Einblick auf Aufnahmen des Filmemachers Avi Mograbi.

Borderlinedisorder: Wenn man an dieser seltsam durchlässigen Barriere vorbei endlich das Centrum betritt, löst ein Bewegungsmelder die Automatik einer zweckentfremdeten Fahnenstange aus, entlang der ein Megafon hochfährt, über das eine menschliche Stimme die israelische Armeehymne intoniert (Installation: Yael Bartana). Im Hintergrund präsentiert sich dann eine Abfolge deformierter Rollenbilder:

Wahlwerbung für das Projekt "Pettek" etwa, das sich rund um den Künstler Tal Adler als Partei gegen die von militärischen Argumentationen dominierte politische Landschaft inszeniert; russische Immigranten, als Außenseiter mit Schweinsnasen von Maria Pomiansky fotografiert; oder: ein homosexueller, orthodoxer Jude, "Marcus Fisher", das fiktive Alter Ego der Künstlerin Oreet Ashery. Das alles erhebt sich nicht immer über den Level kurzlebiger politischer Satire. Im Erschließen anderer Lebenswelten als der meist aus Israel berichteten hat die Ausstellung eher dokumentarische Qualitäten.

Landschaftspanoramen auf alten Schulbänken sind ebenso zu studieren wie Aufnahmen von wie mit dem Lineal geplanten Verbindungshighways zwischen jüdischen Siedlungen und - wieder von Zvi Efrat - beschleunigte Computersimulationen wuchernder urbaner Zellen.

Diese kommunizieren wiederum mit Luftaufnahmen von Meir Gal, auf denen - unter dem Titel Erasing The Major Museums - Horte der Vermittlung von Geschichte aus Stadtbildern eliminiert wurden, ähnlich wie dies normalerweise mit Militärbasen passiert. Daneben: Gespenstisch dahingleitende Autokolonnen in Yael Bartanas Installation Trembling Time, die kurzfristig für eine Trauerminute innehalten. Verloren stehen die Menschen auf einer Autobahn in Haifa.

Der vielleicht komplexeste Beitrag: eine kleine Retrospektive für die Künstlerin Justine Frank (1900-1943), die der Künstler Roee Rosen zusammengestellt, oder richtiger: erdacht hat.

Ein kleines Atelier beherbergt Arbeiten einer "kontroversiellen jüdisch-belgischen Surrealistin", die in pornografischen Schattenrissen, Aquarellen und Skizzen gleichermaßen De Sade, Dada, japanische Malerei und Feindbilder des "ewigen Juden" reflektiert. Wie und wohin die exzentrische, hoch gebildete Diva verschwand, sei unklar, erklärt ein liebevoll gestalteter Katalog, der gleichermaßen Pasolinis 120 Tage von Sodom weiterdenkt und prekäre Versuche, finstere (Kunst-)Geschichte ansprechend aufzuarbeiten, ironisiert.

Das Spannungsfeld zwischen Kunst, Historie und Politik will am Wochenende übrigens auch ein Symposium bearbeiten: "Remapping the Region“, im O.K, Dametzstr. 30, 4020 Linz. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.3.2003)