Mit der erneuten Veröffentlichung ihres längst als Klassiker geltenden Debüts aus 2001 beweisen die Retroavantgardisten Fischerspooner, dass früher in der Zukunft alles besser war: Electro-Clash, machs gut!


Nur zwei Jahre nachdem sich das New Yorker Duo Warren Fischer und Casey Spooner mit seinem beim Münchner Label International DJ Gigolos erschienenen Debütalbum Fischerspooner und dem Track Emerge an die Spitze der europäischen Clubcharts katapultierte, erscheint dasselbe Album in mäßig überarbeiteter neuer Version als #1 gleich noch ein Mal. Immerhin hat der Unterhaltungsriese EMI Capitol mit nur unbedeutender Verzögerung rechtzeitig gegen Ende des Electro-Clash-Booms (Peaches, Gonzales, Miss Kittin' & The Hacker ...) als Letzter den Schrei der Szene entdeckt und will die beiden Herrschaften nun in den USA auch außerhalb der New Yorker Hip-Kreise bekannt machen.

Mit ihrer Mischung aus klassischem Synthie-Pop der frühen Depeche-Mode-Schule und der unwiederbringbaren Munich-Disco eines Giorgio Moroder aus den 70er-Jahren dürfte dies zwar im mittleren Westen ein eher schwieriges Unterfangen werden. Immerhin stehen hier neben den beiden Protagonisten auch noch diverse Gäste bei Live-Shows auf der Bühne, die weder eine Gitarre in der Hand halten, noch bei langen Haaren an Fusselbärte und Hosenboden in der Kniekehle denken, sondern an Cher-Perücken. Hier wird schließlich dem geschlechtlichen Verwirrspiel der alten britischen New-Romantics und Leuten wie Boy George gehuldigt.

Und auch der Charme von Soundkarten für alte C64-Commodores, Kraftwerk für Pacman-Aficionados und für elektronische Drum-Pads im Stile von The Human League und Being Boiled dürften sich in einer von Bruce Springsteen und Bryan Adams weitgehend okkupierten Zone wohl nur wenigen dekadenten Spinnern erschließen. Mit ihrer Mischung aus Vernissagen-Happening und Clubkultur und beigestellten Verwirrspielen im Transgender-Bereich liegt hier aber schlussendlich auch für die diversen Mediamärkte das Dokument eines Zeitabschnitts vor, das den ursprünglich anonymen DJ und Technoproduzenten ins Rampenlicht und die sich anfangs am liebsten nur selbst feiernden Tänzer im Club wieder zu Konsumenten eines Frontalunterrichts machen wollte. Der läuft zwar live mit ständig wechselnden und einmaligen Performances streng im Vollplayback ab, zu dem bewusst asynchron die Lippen zum Sprechgesang aus der Steckdose bewegt werden.

Selbstverständlich klingen aber die hier präsentierten elf Tracks gerade mittels ihrer fast schon an Punk erinnernden Attitüde der bewussten Provokation durch Nichtkönnen allerliebst und tanzbar und wunderbar angeberisch nach POP! Einer breiten Käuferschicht auch in Europa wird diese Wiederveröffentlichung wie schon 2001 aber eher hinten vorbei gehen. Das alte Zielpublikum wird auf einen neuen Remix von Emerge von Junkie XL ebenfalls verzichten können. Als Erinnerungspostkarte aus der Vergänglichkeit der Moderne ist das allerdings durchaus brauchbar. Das war Electro-Clash!
(DER STANDARD, Printausgabe, 7.3.2003)