In meiner Erinnerung taucht eine oft durchlebte Situation aus meiner Volksschulzeit in Baden bei Wien auf: Als einziges jüdisches Kind meiner Klasse musste ich während des katholischen Religionsunterrichtes das Klassenzimmer verlassen. In der auf den Religionsunterricht folgenden Pause beschimpften mich meine Mitschüler regelmäßig als "Gottesmörder" und warfen mir vor, "den Heiland gekreuzigt" zu haben. Ich wurde angerempelt und herumgestoßen. Der Katechet aber stand im ersten Stock am Fenster, blickte auf die muntere Kinderschar und lächelte gütig. Christliche Werte. Es schien mir damals, dass ich einer sehr harten Prüfung ausgesetzt war. Und doch war das nur ein Vorspiel ...

In einem offenen Brief, den Kardinal Schönborn nun aus Anlass des Holcaust-Gedenktages am 27. Jänner an Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg und an die Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde richtete, erklärt er: "Es ist beschämend und beängstigend, dass es immer noch Stimmen gibt, die öffentlich die Shoah leugnen und das Existenzrecht des jüdischen Volkes infrage stellen." Ausgerechnet vor diesem Gedenktag aber hat der Papst eine Gemeinschaft, die sich durch notorischen Antisemitismus auszeichnet, und einen Bischof der seit langer Zeit und beharrlich den Holocaust explizit leugnet, wieder in die Kirche integriert. Und im Lichte dieser Tatsache frage ich: Warum bleibt der österreichische Kardinal immer so allgemein, wenn es um Antisemitismus in seiner Kirche geht? Hier nützt doch nur, wenn man die Namen nennt und in Klarheit spricht. Wir, die Überlebenden brauchen keinen Trost und sicher keine beim Fenster hinaus gesprochene Sonntagsrede. Was wir glaubten nach vielen positiven Zeichen der Kirche erwarten zu können, ist Solidarität.

Doch mit der Wiederaufnahme des notorischen Holocaustleugners Richard Williamson gibt uns der Vatikan zu verstehen, dass in Zeiten, wo so viele in Europa aus der Kirche austreten, dieser auch Antisemiten und Holocaust-Leugner willkommen sind.(DER STANDARD, Printausgabe, 29.1.2009)