Khorchide studierte Islamwissenschaft und Soziologie.

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Mouhanad Khorchide ist derzeit ein vielbeschäftigter Mann. Seine Mailbox ist voll, ständig ist er am Telefon. Seit seine Studie über das Demokratieverständnis der islamischen Religionslehrer bekannt geworden ist, hat er keine Ruhe.

Khorchide fühlt sich missverstanden: Eigentlich sei seine Dissertation eine Arbeit darüber, wie ein moderner Islamunterricht aussehen könnte. Nur nebenbei habe er die Religionslehrer über ihr Demokratieverständnis befragt. Das Ergebnis ist alarmierend: Jeder fünfte Lehrer lehnt die Demokratie ab, heißt es etwa. 28,4 Prozent der befragten Pädagogen sehen einen Widerspruch darin, Muslim und Europäer zu sein. Alarmierende Zahlen, die Aufmerksamkeit ist entsprechend groß - und der Studienautor im "Zwiespalt". Er habe die Studie auf der Uni sperren lassen, sagt Khorchide. Das Exemplar, das in der Nationalbibliothek liegt, hat er offenbar vergessen. Eine ruhige, sachliche Diskussion sei hierzulande nur schwer möglich, ärgert er sich. Andererseits könnten jetzt positive Änderungen in der Ausbildung folgen.

Geboren als Sohn palästinensischer Eltern im Libanon, ist er in Saudi-Arabien aufgewachsen. Dass es Khorchide nach Österreich verschlagen hat, verdankt er seinem um zwei Jahre älteren Bruder. "Er wollte in Deutschland Medizin studieren. Das ging nicht, aber es wurde ihm ein kleines Land gleich daneben empfohlen." Mouhanad und die Schwester folgten nach.

Khorchide beginnt wie sein Bruder ein Medizinstudium, wechselt zu Betriebswirtschaft, bricht auch hier ab. Nachdem er, wie er erzählt, einige Zeit im kaufmännischen Bereich gearbeitet hat, startet er erneut eine akademische Laufbahn: Er studiert Islamwissenschaft und Soziologie. "Ich habe schon damals eine derartige Debatte befürchtet", sagt der 37-Jährige über seine Arbeit an der Dissertation.

Immerhin: Nicht alle in seinem Umfeld würden ihn als "Verräter" oder Ähnliches verunglimpfen, es gebe auch "positive Rückmeldungen". Zugegeben: Wenige im Vergleich zu Ersteren. Ausweichen geht nicht. Khorchide arbeitet an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie (IRPA), und er ist Imam in einer kleinen Moschee in Wien-Ottakring. Dort kann der Vater eines Sohnes zeigen, was er unter einem modernen Islam versteht: Die Predigten hält er auf Deutsch, die Aufteilung zwischen Frauen und Männern ist nicht so streng wie bei anderen. Für Gäste gibt es Stühle. Vielleicht sollte er in der nächsten Zeit mehr als sonst aufstellen. (Peter Mayr/DER STANDARD Printausgabe, 29. Jänner 2009)