Sarajewo/Belgrad - Für die einen ist es endlich ein politischer Durchbruch, für die anderen Hochverrat. Die Einigung der drei führenden nationalen Parteien in Bosnien- Herzegowina auf eine Verfassungsreform hat jedenfalls riesige Aufregung ausgelöst. Sie brachte aber auch die festgefahrenen Gespräche über die notwendige Änderung des Friedensabkommens von Dayton in Bewegung, dessen zu komplizierte Regelungen das Land lähmen und praktisch EU-untauglich machen.

Das am Montag von den Führern der bosniakischen Partei der Demokratischen Aktion (SDA), des serbischen Bundes der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) und der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) unterzeichnete Dokument sieht eine Neuaufteilung Bosniens vor: Statt der jetzigen zwei Entitäten, der serbischen Republika Srpska (RS) und der bosniakisch-kroatischen Föderation, soll Bosnien auf mittlerer Verwaltungsebene drei Landesteile bekommen. Brèko soll wie bisher ein selbstständiger Distrikt bleiben, die zentralstaatlichen Institutionen sollen gefestigt werden. Die Gespräche über diesen Entwurf sollen Ende Februar fortgesetzt werden.

Die Vorsitzenden von SDA und SNSD, Sulejman Tihić und Milorad Dodik, waren vor allem heftiger Kritik aus den Reihen der eigenen Volksgenossen ausgesetzt. Tihić warf man vor, Eigenstaatlichkeit und Grenzen der "auf Genozid beruhenden Schöpfung" RS anzuerkennen, Bosnien nach dem ethnischen Prinzip teilen und die Bosniaken in ein "Ghetto" zwängen zu wollen. Dodik wurde beschuldigt, die vom Daytoner Abkommen garantierte Souveränität der RS aufgeben zu wollen. Vertreter der HDZ erklärten ruhig, dass nun auch sie eine eigene föderale Einheit bekommen sollten.

"Wir müssen endlich verstehen, dass in Bosnien nicht nur der Wille eines Volkes beachtet werden kann" , wies Tihić alle Vorwürfe zurück. Denn die Existenz des Landes und sein Fortschritt hingen von der Kompromissbereitschaft der drei Völker ab. Tihić betonte, dass das Übereinkommen der drei Parteien auf dem Prinzip beruhe, dass "Bosnien und Herzegowina ein souveräner Staat mit international anerkannten Grenzen sei" .

Dodik seinerseits bekräftigte, die RS werde eine "dauerhafte Kategorie" , ihr Territorium unverändert bleiben. Daraus schlossen Analytiker, dass die neue Entität oder föderale Einheit auf dem Territorium der bosniakisch-kroatischen Föderation entstehen soll.

Wenn sich die drei größten nationalen Parteien auf alle Details einigen, wird der Entwurf der Verfassungsänderung den bosnischen Institutionen vorgelegt. Eine neue Verfassung kann im gesamtbosnischen Parlament nur mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden. Dafür fehlen SDA, SNSD und HDZ noch neun Abgeordnete. Das letzte Wort hat der internationale Bosnien-Beauftragte. Der Posten ist vakant, nachdem der bisherige Amtsinhaber Miroslav Lajèak neuer slowakischer Außenminister wurde. Als Nachfolgefavorit gilt der deutsche Diplomat und Balkan-Experte Wolfgang Ischinger. (Andrej Ivanji/DER STANDARD, Printausgabe, 29.1.2009)