Nachlese, 27. Jänner 2008

>>> Im Whirlpool der Generationen
Der Sender, den man gerne lieben würde, macht es einem immer schwerer: Radio FM4 feierte seinen 13. Geburtstag mit der selbstgefälligen Routine eines Parteitages

Montag: derStandard.at

Ich kann behaupten, es hat nichts gebracht. Meine Schuld. Mit meiner p e r s ö n l i c h e n Replik auf die von Martin Blumenau in seinem Journal auf der FM4-Site als Medienkritik getarnte p e r s ö n l i c h e Spitze gegen mich (eine von mehreren, die ich bislang immer ignoriert habe) hatte ich versucht, anhand einer Reihe von persönlichen Erlebnissen (Ausfälle, Lügen ...) aufzuzeigen, warum der Blumenausche Versuch, sich als Diskurs-Onkel zu gerieren, anmaßend ist.

Dabei habe ich mich auch für das Elend entschuldigt, das eine öffentliche Austragung eines eben persönlichen (was nur Blumenau nicht zugibt) Straußes abbildet – und nur die niedrigen Instinkte von Zaungästen befriedigt. Aber diese sind ja Blumenaus täglich Brot. Diesbezüglich wurde ich demnach auch nicht enttäuscht. (Vorauseilande Entschuldigung für diese Fortsetzung, aber ich habe mich ohnehin schon beschmutzt).

Spielzeug einer Ich-Maschine

Dass Blumenau in seinem Folge-Journal meine Replik nun als quasi seinen Sieg, als von ihm inszenierten „Diskurs" hinstellt, ist lediglich die Fortsetzung seiner Anmaßungen. Wer meine Beispiele auch nur halbwegs glaubhaft findet – oder Blumenaus Tun und leider auch Wirkung im Radio oder auf der FM4-Seite kennt – , sollte feststellen können, das Blumenau schon wegen dieses seines Handelns kaum legitimiert sein kann, Diskurskultur einzufordern. Er praktiziert sie selbst nicht, sein Webblog ist bloß das zeitgenössische Spielzeug einer egomanischen Ich-Maschine.

Auch ich bin kein Diskurs-Papst, nur habe ich das auch nie behauptet. Dass Blumenau mich dann quasi (mit Einschränkungen) wie einen verlorenen Sohn, der doch noch ein Einsehen hat, umarmt, daran bin ich selber schuld. Das hätte ich wissen müssen. Genau deshalb habe ich auch bisher immer geschwiegen. Blumenau sei gar nicht satisfaktionsfähig, stand gestern wo zu lesen: Wie wahr!

Konsequente Niedertracht

Dass er dann auch noch jemanden vor seinen (und den FM4-Karren) spannt, der sich nicht nur nicht mehr dagegen wehren kann, sondern die lebende Antithese zu einem Charakter wie Blumenau war, ja, der Blumenaus Tun richtiggehend verachtet hat, ist nur noch als Niederträchtigkeit zu bewerten, beziehungsweise Blumenausche Konsequenz. Denn um den Schein von FM4 als heile Welt und Leuchtturm des Guten und einzig Wahren aufrecht zu erhalten, sind ihm sogar die Toten recht. Lektion gelernt. Endgültig. Ab jetzt gilt: Mir fällt zu Blumenau nichts ein.
Vorhang.

(Karl Fluch, derStandard.at, 28.01.2009)

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Aufzeichnungen aus der Talsohle: Eine persönliche Replik von Karl Fluch auf Martin Blumenaus Journal

Fluch vs. Blumenau I

Im Mäntelchen der Medienkritik schreibt Martin Blumenau in seinem Journal auf der FM4-Homepage vom 26. Jänner über die "niemals endende Talsohle der heimischen Pop-Rezensionskultur". Dass ich dabei zum Handkuss komme, war für mich so überraschend, wie das Amen im Gebet. Immerhin habe ich mir schon vor ein paar Jahren den Blumenauschen Zorn zugezogen, als er mich wegen einer Rezension des The-Streets-Konzerts im WUK anbrüllte. Das war im Radiokulturhaus einige Tage später.

Der Anlass? Es ging um den Unterschied zwischen einem FM4-Showcase (seine Position) und einem Konzert (meine), beziehungsweise darum, dass ich FM4 – immerhin hatte der Sender dort sein Logo aufhängen dürfen – in meiner Rezension nicht erwähnt hatte. Seine Reaktion fand nicht nur ich ein wenig übersteuert, auch der Rest des RKH-Foyer-Publikums wirkte zart irritiert. Aber – kein Problem. Es lieber gleich rauslassen ist besser, als ein Magengeschwür bekommen, right?

Bei der Wahrheit bleiben

Dass das eine längerfristige Verstimmung sei, richtete er mir einige Monate später via Journal aus. In einem Aufsatz über das FM4-Frequency-Festival, behauptete Blumenau, ich sei ohnehin nur im VIP-Bereich zu finden gewesen, sei dort missmutig und – wie verächtlich! – lesend herumgesessen, und er hätte natürlich genau gewusst, was ich schlecht und was gut finden würde. Eine beneidenswerte Fähigkeit. Aber Blumenau glaubt in seiner aktuellen Spitze ja auch sich vorzüglich in mich hineinversetzen zu können. Der Schönheitsfehler daran: Ja, ich war dort. Zirka gleich lang wie er, habe dort gegessen, und bin wieder zur Bühne gegangen. Wie verwerflich ist das denn!

Seltsam war außerdem, dass wir (Blumenau, FM4-Chefin Eigensperger und ich) zusammen in den VIP-Bereich gegangen waren, er am Weg dorthin allerliebst und freundlich war. Aber FM4, oder etwas, woran es beteilgt ist, nicht gut zu finden, geht halt bei Blumenau nicht, oder nur sehr eingeschränkt. Menschlich nachvollziehbar, wer sich aber anmaßt über guten und schlechten Journalismus zu urteilen, sollte da nicht nur professioneller sein, sondern auch bei der Wahrheit bleiben und nicht Dinge behaupten, die schlichtweg falsch sind.

Halluzinierte VIP-Bereiche

Apropos VIP-Bereich. Dort treibe ich mich ja laut Blumenau vorwiegend herum und am Eingang eines solchen haben wir uns beim FM4-Fest kurz gesehen. Ich habe während des Verfassens dieses Textes nachgedacht, in wie vielen VIP-Bereichen ich im Jahr zirka bin. Mir sind einer oder zwei eingefallen, bei dem von FM4 war ich heuer zum ersten Mal. Aus denselben Gründen wie alle dort: Gratis Getränke, kaum Wartezeiten am Häusl, wärmer als draußen. Aber bleiben wir noch kurz dabei: Wo finden denn in Wien Konzerte statt: Arena, B72, Chelsea, Flex, Fluc, Rhiz, WUK, Szene Wien, Gasometer ... – wo sind denn in all diesen Veranstaltungsorten die von Blumenau halluzinierten VIP-Bereiche?

Anschließend bin ich zu Franz Ferdinand gegangen, bin exakt vor dem Mischpult gestanden und habe Konzert geschaut. Dabei habe ich laut Blumenauschen Ferndiagnose nichts empfunden. Jedenfalls wirft er das mir und meiner Franz Ferdinand Geschichte vor. Dass dieser Text ein Porträt anlässlich des neuen Albums war, bei der der mäßige Auftritt schon wegen seiner Durchschnittlichkeit nur am Rande Erwähnung fand, war ihm egal.

Topchecker

Ein Journalismus-Topchecker wie Blumenau hätte aber erkennen können, dass die Notwendigkeit die Konzertatmosphäre einzufangen, unter solchen Vorgaben eher eine Fleißaufgabe zur Vervollständigung war – wenn das Sujet einer Betrachtung schon vor Ort ist, irgendwie logisch. Was in diesem Zusammenhang eine "kontextlose" Geschichte sein soll, müsste Blumenau auch einmal erklären. (Als ich übrigens damals beim FM4-Frequency – wie von Blumenau aktuell eingefordert – atmosphärereich und detailliert über Teenager-Sauf-Orgien am Salzburgring geschrieben habe, war ihm das auch nicht recht. Was nun?)

Man ahnt also vielleicht schon, dass es hier weniger um eine im Argen liegende Rezensionskultur an sich geht, sondern doch eher um persönliches Geklimper. Interessant auch, dass Blumenau vor etwas über einem Jahr als vom STANDARD eingeladener Fremdblattkritiker die Möglichkeit gehabt hätte, diese Kritik zu formulieren. Damals lobte er die Popberichterstattung im Standard allerdings milde, wie der bei der Kritik anwesende Kollege Schachinger mitteilte und wie es anschließend auch das hausintern versandte Protokoll der Blumenauschen Blattkritik bestätigte. Ist da gar jemand nicht ganz ehrlich zu sich selbst? Und seinem Publikum?

Slowfox in der Oper?

Vollkommen absurd ist Blumenaus These, meine Arbeit wäre nur der Versuch in die Hochkultur und zu deren Geldhähne vorzustoßen. Wie darf ich mir denn das vorstellen? Versuche ich mittels Rezension einer Band wie Fucked Up zu erreichen, von Herrn Schröder eine Privatführung durch die Albertina zu bekommen? Oder mit Herrn Holländer am Opernball einen Slowfox zu wischen? Diese Behauptung ist ungefähr so daneben, wie Sigi Maron kapitalistischen Monarchismus vorzuwerfen.

Das Problem das ich in all dem orte, ist fehlende Konfliktkultur. Als ich im Vorjahr anlässlich des 13. Geburtstagsfests von FM4 im STANDARD so etwas wie eine Grundsatzkritik schrieb, wurde auf FM4-Seite einfach der Kopf in den Sand gesteckt – und geschwiegen. Gut für mich. Wer schweigt, stimmt zu, heißt es ja. Dennoch hatte ich so meine Zweifel, ob meine Kritik ungeteilte Zustimmung bei FM4 finden würde. So gesehen könnte man sagen: Eine (journalistisch) reife Reaktion auf Kritik, die, für mich überraschend, von ca. 80 Prozent der Standardforenmenschen mitgetragen wurde, sieht anders aus. Immerhin bietet der Standard täglich Plattform für Diskurse aller Art auf den Kommentar der Anderen Seiten. Diese wären selbstverständlich auch für FM4 offen gewesen.

Pflichtverteidiger

Aber gut, keine Debatte ist auch eine. Ein einziger bekennender FM4ler (Slack Hippy), kauderwelschte im derStandard.at-Forum unter nämlichem Text, dass man doch froh sein solle, dass es FM4 gäbe. Stimmt. Sind wir. Bloß ist deshalb noch lange nicht alles super, was FM4 macht und Kritik am Sender nicht verboten. Das wird auch Blumenau mit seiner Aura des überloyalen Pflichtverteidigers nicht weg schreiben können.

Das weiß er deshalb raunt er lieber kompensatorisch über schlechten Journalismus. Ausgerechnet auf einer Homepage, auf der ein Gutteil aller Texte wie hoppertatschige Erlebnisaufsätze daher kommen, insbesondere die so genannten Rezensionen, in denen Sätze wie dieser zu finden sind: "Ein Lied folgte auf das nächste." Bei einem Konzert? Echt? Wer hätte das gedacht!

FPÖ oder FM4?

Aber vielleicht ist das ja die von Blumenau aktuell eingeforderte "Lust", die korrekte Orthografie, richtige Sprachbilder sowie das kleine journalistische ein mal Eins nicht zulässt. Auf einer Seite, auf der ein Heinz Reich in schönster FPÖ-Manier schon einmal mehr oder weniger offen meinen Rauswurf aus dem Standard forderte, weil sich meine Meinung zu einem Air-Konzert nicht mit der seinen deckte.

Das ist schon bei anonymen Postern eher starker Tobak, dass man einem Journalisten so etwas Essentielles wie Meinungsfreiheit als elementares Element unserer Arbeit in Erinnerung rufen muss, könnte einen aber an schlechten Tagen durchaus betrüben. Einzig Werner Geier (O-Ton: "Foul im Strafraum!") mahnte damals Mäßigung ein, während Medienprofi Blumenau Reichsche Position bezog – Hallo Talsohle! – und meinte, ich müsse das aushalten, weil er hielte dergleichen auch aus. Ich halt das eh aus, darf mich aber trotzdem wundern.

Niedrige Instinkte

Man muss daraus kein Sittenbild zimmern und Kritik an meiner oder anderen mehr oder weniger öffentlichen Personen ist immer zulässig. Aber diese kleinen Schwänke rücken vielleicht ein wenig die vermeintliche Rechtschaffenheit zurecht, mit der Blumenaus Buchstabensuppen dahertröpfeln.

Ansonsten ist dieses Blumenau und Fluch hauen sich in die Goschn-Ding redundant und befriedigt bloß die niederen Instinkte der Zaungäste. So wichtig sind wir beide nicht. Darum habe ich auch bislang zu solchen Stichelein nicht Stellung bezogen. Egal wie erfunden sie waren. Diesbezüglich hat mir das Blumenau-Foto auf der alten FM4-Seite immer Trost gespendet. Da wirkte er so herrlich verschlagen.

Gutes FM4? Sure!

Jetzt aber reagiere ich, weil ich, wie man so schön sagt, einen Unterschied machen möchte. Anders als FM4 stelle ich mich dieser – na ja – Kritik. Wobei, wenn ich hier die ganze Zeit leger FM4 sage, ist das natürlich eine grobe Verallgemeinerung. Es gibt viele FM4-Mitarbeiter, die tolle Jobs machen, einige, denen ich mich schon lange freundschaftlich verbunden fühle, ja, sogar einige, die mir Recht geben. (Karl Fluch, derStandard.at, 27.01.2009)