Seit der Abschaffung des Presserats in Österreich sind mehr als sieben Jahre vergangen. Jetzt soll dieses Instrument zur Verteidigung von Moral und Ethos in den Printmedien wieder aufleben. Die Installierung eines neuen Presserats steht bevor. Österreich kann, was diese Institution betrifft, wieder Teil der Zivilgesellschaft sein.
Was nicht heißt, dass die Sache funktioniert. Denn das Land schert sich wenig um internationale Medien-Maßstäbe und nimmt an der Streitkultur kaum teil. Redaktionen gelten in der Branche dann als preisverdächtig, wenn sie peppige Schlagzeilen bieten und die lokale Szene bedienen. Internationale Autoren, Wissenschaftsanalysen, sprachlich beispielhafte Texte sind Nebensache.
Weshalb offenbar auch Anneliese Rohrer, die Kurier-Kolumnistin, im Fernsehen behauptete, die österreichischen Printmedien seien weit weg von europäischer Qualität. Das Gegenteil ist wahr. Die Qualitätszeitungen können sich immer öfter mit den deutschen Spitzenmedien messen. Rohrer möge die Obama-Berichterstattung des Standard, aber auch der Presse mit jener ausländischer Zeitungen vergleichen.
Schwächen teilt die österreichische Szene vor allem mit dem internationalen Boulevard (zumal britischer Provenienz) und mit den Zeitgeist-Magazinen, die mit Jelinek-Vorabdrucken oder Moretti-Reportagen ihre Bett-Geschichten und Feuchtgebiete kaschieren.
Dazu kommt eine dubiose, aber wachsende Selbstvermarktung. Diese Woche werden wieder die von der Zeitschrift Der Journalist ausgelobten Preise übergeben. Eitel, wie die Branche nun einmal ist, hat bis jetzt noch niemand öffentlich die Methodik kritisiert. Die Chefredakteure und Medienjournalisten der Zeitungen wählen jedes Jahr die besten Redaktionen, die besten Chefs und die besten Sparten-Journalisten. Bis zum Jahr davor durften Chefredakteure sich sogar noch selbst wählen.
Außerdem werden internationale Kongresse in Wien inszeniert, auf denen die Veranstalter sich auch als Bepreiste feiern dürfen - und das in ihrer Zeitung präsentieren, als hätten sie eine Weltmeisterschaft gewonnen.
Im Grunde ein Skandal. Höhnen würden die Medien, hätten die Minister die Idee, jährlich unter sich die besten zu küren. "Inzucht" wäre noch eines der mildesten Vokabel.
In der Zeitungsbranche selbst wird die gut gemeinte, aber unseriöse Praxis des Journalist ernst genommen. Nicht gefragt wird, ob man in eine solche Jury nicht auch Schriftsteller, Auslandskorrespondenten und Medienexperten berufen sollte.
Zur abnehmenden Seriosität passen neue Role-Models. Ein Beispiel: Die wachsende Popularität des jungen Datum-Chefs. Er steht für seriösen (wenn auch nicht neuen) Journalismus, adoriert nach eigenem Bekunden jedoch das Marketing von Wolfgang Fellner. In den Fellner-Produkten hat Marketing die Qualität so lange zerbissen, bis man sie nicht mehr erkennen konnte. Dass unter jüngeren Journalisten die Attraktivität der Selbstplakatierung zunimmt, sachlicher Stil und Respekt vor Menschenwürde jedoch abnehmen, ist in Zeiten der Beschleunigung verständlich, letztlich aber für die Publizistik fatal. (Gerfried Sperl/DER STANDARD; Printausgabe, 26.1.2009)