Dieses Buch braucht einen langen Atem. An sich ist alles da, was einen Krimi ausmachen könnte: ein gefolterter Entführter, der in die Freiheit zurückkehrt, Geheimdienstler und Frauen mit zwielichtiger Biografie. Aber das ist nur ein Teil des Personals. Der Autor verwebt die Gegenwart des Ich-Erzählers zur Zeit des Mauerfalls mit der Geschichte vor dem Zweiten Weltkrieg, im Speziellen der linken Splittergruppen in Paris. Victor, ein Pressefotograf, war entführt und über tausend Tage festgehalten worden. Wo, warum und von wem bleibt im Dunkeln.

Die Gefangenschaft teilte Victor mit jenem Alex, dessen Vater Alfred Katz seinerzeit ein Handlanger der Trotzkisten war, die ihrerseits von den Stalinisten bespitzelt wurden. Katz führte ein Tagebuch, das Victor, der nur mühsam ins normale Leben zurückfindet, zu lesen bekommt. Auf den Spuren von Alfred Katz durch Paris, später durch Prag vagabundierend, wird Victor immer noch beschattet. Wer sich auf den Text von François Vilar einlassen kann, landet in einem historisch befrachteten Labyrinth mit hunderten Querverweisen. Parallel dazu resümiert Vilar, wie vergeblich der Kampf der Handvoll Trotzkisten gegen den stalinistischen Terror war. Im Anhang gibt es einen dünnen Ariadnefaden in Gestalt kurzer Anmerkungen zu den historischen Persönlichkeiten von Louis Aragon bis Andrej Wyschinski, sozusagen verbürgte Fixpunkte in einer mysteriösen Schnitzeljagd. (Ingeborg Sperl, DER STANDARD/Printausgabe, 24./25.01.2009)