Unser guter US-Rocker Bruce Springsteen (59) wird sich das Autofahren auch 2009 nicht madig machen lassen.

Foto: Danny Clinch

Die westliche Welt braucht jetzt Durchhalteparolen.

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Wien - Warum Bruce Springsteen sein neues Album Working On A Dream ausgerechnet mit einem für die neue CD völlig untypischen Lied über das uramerikanische Sujet eines Killers auf der Flucht startet, das weiß nur der Mann, den sie Boss nennen, selbst. Nach acht Minuten und einem an den Film Thelma & Louise angelehnten Finish erweist sich der gute Mensch von Amerika allerdings auch schon wieder frühzeitig als Meister seiner gemeinhin sakrosankten Klasse.

Während des pathetisch erheblich aufgeladenen Sprungs des Killers mit seinem treuen Gaul über die Klippe der malerisch im indianischen Navajo-Land herumstehenden, über Jahrtausende zu topischen Abgründen ausgewaschenen Tälern hinunter ins Nichts, wird unvermittelt das Bild eingefroren. Alle Wünsche, alle Fragen offen. Was, bitte, war denn das?! "Outlaw Pete, can you hear me, can you hear me, can you hear me?!"

Es kommt nicht überraschend: Dem 59-Jährigen geht es auch in seiner neuesten, mit üppig besetzter E Street Band eingespielten Abarbeitung im Kino destillierter US-amerikanischer Grundbefindlichkeiten um die Verhandlung von Sehnsucht. Im Mittelpunkt steht, freiwillig oder unfreiwillig, wer weiß das bei Springsteen so genau, das Streben in der Vergangenheit mit Schuld beladener, heute etwas müder, aber noch immer das volle Leben behaupten müssender Männer nach Erlösung.

Nach dem Riss im Horizont wird hier gefahndet. Durch diesen entkommt man dem irdischen Jammertal am schnellsten. Springsteen verhandelt zu allerlei mitunter in die Nähe des deutschen Schlagers reichendem, süßlichem Gezirpe und Zuckerbäckergeklebe aus den obligatorischen Keyboard-Burgen, mächtig viel Straßenmusiker-Gitarrengeklampfe und wattiert wirkendem Ausdrucksgesang, der die Vokale gern entweder endlos zerdehnt oder verschluckt, die einfachen Verhältnisse von einfachen Menschen. Mit all ihren kleinen einfachen Träumen. Leben ohne realen Ausweg. Aber mit mächtig vielen Fluchtpunkten.

Unten am Fluss

Alles neu war früher. Der Sturm, er drängt nicht mehr. Uns allen fährt ohnehin längst ein kalter Wind entgegen. Der wird dauern. Heute wird im Zweijahresrhythmus und angeschlossenen Welttourneen längst Profimusikerbetulichkeit und Trost und Rat mittels Malen nach Zahlen geliefert. Der alte globale Volksheld Springsteen schuftet sich für uns redlich ab: Jetzt bloß nicht aufgeben! Durchhalten! Nicht weinen und nach der Mama rufen! Dort hinten, wo man hinkommt, wenn man es nur will und genügend Geld für Benzin und Auto hat, da wohnt die Hoffnung!

Kein Wunder, dass Springsteen heutzutage zu Ehren des neuen US-Präsidenten in Washington mit Gospelchor auftritt. Können wir das schaffen?! Ja, wir schaffen das! Springsteen bläst als letzter großer Wal seine lebenslange und längst ans Ziel gelangte Kunst des Flüchtens, einer Hoffnung entgegen aller Hoffnung, zur großen, rast- und haltlosen amerikanischen Kunst hoch. Hier rockt ein gutes, altes, naives, unschuldiges Amerika als Land, in dem ab sofort wieder Träume wohnen dürfen.

Dementsprechend hohl klingen Springsteens Lieder. Unten am Fluss, Auge für Auge, Blut für Blut wird das Lyrikbuch von Bono ausgepackt. "We reach for starlight all night long!" - "This is our kingdom of days!" - "Let me show you what love can do!" Zwar wird in Queen Of The Supermarket, einer melancholischen Variation der Blume aus dem Gemeindebau von Wolfgang Ambros, zumindest ein einziges Mal dem alten Sozialrealismus und ehrlich wirkendem Sentiment gehuldigt. Und auch der im Abspann von Mickey Rourkes Comeback laufende Song The Wrestler gibt sich entschlackt pathetisch. Der große Rest aber zielt in die Open-air-Stadien. Alles falsch. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 24./25.01.2009)