Sofia/Wien - Bulgarien lebt in diesen Tagen wie in einer Krimiserie. Zwei namhafte Bosse der Unterwelt, Angel Hristov und Plamen Galev, allgemein bekannt als "Brüder Galevi" , stehen unter Anklage, eine organisierte kriminelle Gruppe angeführt zu haben. Hristov wurde am Mittwoch für vorerst 72 Stunden festgenommen, sein Freund Galev sitzt schon über einen Monat in Haft wegen des Verdachts, die Journalistin Lidija Pavlova von der Lokalzeitung Struma erpresst zu haben.

In der Nacht auf Donnerstag wurde unterdessen ein unter dem "Spitznamen" Djidji bekannter Gangster in seinem Wohnbezirk in Sofia erschossen. Am Mittwoch war ein von der Polizei wegen Verdachts der Entführung festgenommener Mann während der Ermittlung gestorben. Dem Staatsanwalt Nikolaj Kokinov zufolge ist eine Verbindung zwischen dem Tod des mutmaßlichen Entführers und dem offensichtlichen Auftragsmord an dem Gangster nicht ausgeschlossen.

Im Zuge der jüngsten Ereignisse hat Innenminister Michail Mikov drei Chefs der Antimafia- und Antiterror-Behörden entlassen. Seit den Ausschreitungen während der Antiregierungsproteste am 14. Jänner ist der Druck der Gesellschaft auf die Polizei sehr hoch. Auch die Kritik aus Brüssel an den schleppenden Reformen im Inneren und in der Justiz wird immer schärfer.

Die "Brüder Galevi" waren selbst einmal Antimafiakämpfer. Sie wurden wegen Verdachts auf kriminelle Machenschaften vom Dienst suspendiert. Steinreich durch den Handel mit gebrauchten Panzerwagen, wie sie selbst angeben, oder vom Geschäft mit synthetischen Drogen und Schutzgelderpressung, wie eher vermutet wird, kontrollierten sie gemeinsam mit ihren Schlägertrupps, Spitzeln und Abzockern die ganze Region um Dupniza, eine rund 60 Kilometer südwestlich von Sofia gelegene Stadt. Seit einem Jahr hatten sie dabei als Berater des Bürgermeisters Atanas Janev auch die administrative Macht auf ihrer Seite. Gegen Janev wird inzwischen ebenfalls wegen Korruption ermittelt.

Kein öffentlicher Auftrag in Dupniza durfte ohne Zustimmung der "Brüder Galevi" vergeben werden. Beide hatten dabei Rückendeckung von hohen Funktionären im Innenministerium. Wegen bekanntgewordener Kontakte zu Galev und Hristov musste schließlich im vergangenen April Innenminister Rumen Petkov seinen Sessel räumen.

Da man Einflussnahme der Mafia auf die örtlichen Justizbehörden befürchtete, wurden die Verfahren gegen die "Brüder Galevi" aus Dupniza abgezogen und direkt der Sofioter Staatsanwaltschaft übertragen. Diese Tatsache und Razzien von Polizei und Geheimdiensten in jüngster Zeit hätten offenbar bei vielen Bürgern von Dupniza die Zivilcourage gefördert, teilte Staatsanwalt Kokinov dem STANDARD mit.
So habe etwa Plamen Milanov, der Chef eines örtlichen Taxiunternehmens, den Mut gefunden, die "Brüder Galevi" anzuzeigen. Der Unternehmer musste nach eigenen Angaben jahrelang 2000 Euro monatlich "Schutzgeld" an die Mafiosi zahlen, damit sie ihn, sein Geschäft und seine Familie in Ruhe ließen. (Diljana Lambreva/DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2009)