Das gerichtliche Nachspiel des umstrittenen islamkritischen Films Fitna entzweit die Niederlande. Nach monatelangem Tauziehen zwischen Staatsanwaltschaft und Privatklägern hatte sich das Amsterdamer Gericht am Mittwoch auf die Seite der Kläger gestellt und strafrechtliche Ermittlungen gegen den Rechtspopulisten und Autor des Films, Geert Wilders, angeordnet: Der Abgeordnete habe mit seinen "einseitigen, stark generalisierenden, in der Tendenz radikalen Formulierungen" das Diskriminierungsverbot übertreten und sich der Verhetzung schuldig gemacht.

Jetzt warnen Kritiker davor, Wilders eine Bühne zu geben, um sich als "Märtyrer" zu präsentieren. Die Zeitung de Volkskrant schrieb, ein Teil der Gesellschaft sehe in der Entscheidung einen "Anschlag auf die Meinungsfreiheit".

In einer ersten Stellungnahme hatte Wilders bestürzt reagiert und ähnlich argumentiert: "Das ist ein schwarzer Tag für die Meinungsfreiheit und ein schwarzer Tag für meine Wähler." Noch vor einem halben Jahr hatte sich die Staatsanwaltschaft gegen eine Anklageerhebung ausgesprochen: "Provokante und verletzende Aussprüche verlieren im Rahmen einer gesellschaftlichen Debatte ihren beleidigenden Charakter" , so die Begründung. Das Strafrecht sei kein geeignetes Instrument in der Auseinandersetzung mit Wilders, argumentierten die Staatsanwälte.

Das Amsterdamer Gericht kam zu einem anderen Schluss. Vor allem Wilders Vergleich des Islam mit dem Nazismus und des Koran mit Hitlers "Mein Kampf" sah das Gericht als dermaßen beleidigend an, dass eine Anklageerhebung im allgemeinen Interesse liege. In seiner minutiösen Argumentation lässt das Gericht dem zukünftigen Strafverfahren wenig Spielraum. Gerard Spong, der Anwalt der Privatkläger, hält eine Verurteilung des Abgeordneten für wahrscheinlich. Auch Wilders spricht von "einer halben Verurteilung".

Das Verfahren wird sich voraussichtlich über Jahre hinziehen. Wird Wilders für schuldig befunden, kann er zu zwei Jahren Haft verurteilt werden. Die parlamentarische Immunität kann den Abgeordneten nicht vor dem Gefängnis bewahren. Sie schützt allein jene Aussagen, die ein Abgeordneter in den Räumen des niederländischen Parlaments tätigt.

Die Privatkläger reagierten hocherfreut auf die Entscheidung des Gerichts. Jahrelang waren ihre Klagen unbeantwortet bei der Staatsanwaltschaft liegen geblieben. Erst als ein paar Studenten im Rahmen einer TV-Diskussion den bekannten Strafverteidiger Gerard Spong für ihre Sache gewinnen konnten, kam Schwung in das Verfahren. (Barbara Hohenederaus Amsterdam/DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2008)