Kurz nach der hessischen Landtagswahl heimlicher Bundeskanzler, jetzt schon wieder auf Normalmaß gestutzter Oppositionspolitiker. Über diese emotionale Achterbahn, die FDP-Chef Guido Westerwelle gerade erlebt, amüsiert sich zurzeit das politische Berlin.
Noch am Montag durfte sich Westerwelle als Königsmacher fühlen: Weil die große Koalition durch die Hessen-Wahl ihre Mehrheit im Bundesrat verloren hatte, schien sie zunächst auf das Wohlwollen der FDP in der Länderkammer angewiesen. Schließlich sitzt die FDP in den Landesregierungen der fünf bevölkerungsstärksten deutschen Bundesländer und hat somit auch Einfluss auf die Bundespolitik in Berlin.

Doch noch während Westerwelle der großen Koalition seine Bedingungen für ein Ja zum 50-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket diktierte ("Steuern müssen früher gesenkt werden" ), heckten die Grünen einen Gegenplan aus. Flugs boten sie Bundeskanzlerin Angela Merkel an, das rot-schwarze Konjunkturpaket im Bundesrat mitzutragen. "Wir sind jederzeit gesprächsbereit und entscheiden an der Sache orientiert" , lässt der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, wissen.

Die Grünen regieren in Bremen mit den Sozialdemokraten, in Hamburg mit der CDU. Stimmen beide Bundesländer wie angekündigt für das Paket, wäre die deutsche Regierung nicht mehr auf die Stimmen der FDP angewiesen.

Hinter der grünen Hilfsbereitschaft stecken natürlich handfeste Interessen. "Auch wir Grünen verfolgen Machtoptionen" , erklärt Christine Scheel, Vizechefin der Grünen-Bundestagsfraktion, ganz offen. Gerade beim sensiblen Thema Konjunkturpaket will die Ökopartei acht Monate vor der Bundestagswahl nicht als verantwortungslose Blockiererin dastehen, während sich die FDP als staatstragende Kleinpartei profilieren kann.

Einige Grüne erhoffen sich durch diesen Schachzug auch Auftrieb für eine schwarz-grüne Option nach der Bundestagswahl. Inhaltlich sind Trittin und seine Kollegen ohnehin mit der von der FDP geforderten, stärkeren Steuerentlastung nicht einverstanden. Dies gehe auf Kosten der kommenden Generationen, argumentiert man.

Doch der überraschende Schwenk der Ökopartei, die der FDP eines auswischen wollte, könnte auch noch für Frust sorgen: Schließlich müssen die Grünen jetzt erklären, warum sie das Konjunkturpaket im Bundesrat mittragen, im Bundestag zuvor aber noch als "Sammelsurium" und "Flickschusterei" bezeichnet haben. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Printausgabe, 22.1.2009)