Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Photo/Fabian Bimmer

Armut ist nicht nur Geldmangel, sondern auch Mangel an Chancen.

Foto: AP/Photo/Fabian Bimmer

"Habe unlängst nur halbtags gearbeitet und nebenbei gelernt. da hatte ich grad mal 850 euro im monat und alles zu zahlen. arm bin ich mir nicht vorgekommen." Das postete derStandard.at-User "suspect" unter dem Artikel zum Armuts- und Reichtumsbericht 2008. Und verlieh damit einem Gedanken Ausdruck, der immer wieder kommt - nicht nur im derStandard.at-Forum: Sind die "Armen" wirklich arm? So wenig Geld sind 893 Euro doch gar nicht. Oder betreibt Österreich vielleicht Jammern auf hohem Niveau?

Mit Armen will keiner tauschen

Auf keinen Fall, findet Martin Schenk von der Armutskonferenz. Die Höhe des Haushaltseinkommens dürfe nicht als einziger Maßstab herangezogen werden. Armut sei keineswegs nur eine Frage des Einkommens, sondern auch eine von schlechten Lebensbedingungen: "Armut ist das Leben, mit dem niemand tauschen will. Arme haben die schlechtesten Jobs, die geringsten Einkommen, die kleinsten und feuchtesten Wohnungen, sie haben auch die am ehesten krankmachenden Tätigkeiten, wohnen in den schlechtesten Vierteln, gehen in die am geringsten ausgestatteten Schulen, müssen fast überall länger warten - außer beim Tod, der ereilt sie um einige Jahre früher als Angehöriger der höchsten Einkommensschicht".

Laut Armutsbericht 2008 sind unter anderem MigrantInnen, Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen und AlleinerzieherInnen arm oder armutsgefährdet.

Wenig Einkommen und schlechte Lebensbedingungen

Um von "manifester oder akuter Armut" zu sprechen, reiche das niedrige Einkommen (unter dem Median) alleine nicht aus, so Schenk. Einkommensarm, aber eben nicht akut arm, sind Menschen, deren Einkommen unter der Armutsgrenze von 893 Euro liegt. Wenn dazu auch noch schlechte Lebensbedingungen wie Substandardwohnungen mit Schimmelbefall, chronische Krankheit kommen, sich die Betroffenen das Heizen der Wohnung oder das Ersetzen verschlissener Kleidung nicht leisten können, dann wird aus Armutsgefährdung Armut.

Und die bedeutet für die Betroffenen dann vor allem eines: Eine Spirale, aus der man sich nur schwer wieder befreien kann. "Es erfordert enorme Energie, enormes Selbstbewusstsein und viele zeitliche und materielle Ressourcen, um aus dem Armutsstrudel wieder herauszukommen", erklärt Eva-Maria Nadler von der Kontaktstelle für Alleinerziehende im Gespräch mit derStandard.at. 98 Prozent ihrer KlientInnen seien alleinerziehende Frauen, erzählt sie, "und bei vielen weiß ich nicht, ob sich ihre Situation jemals wieder bessert."

Schulschikurse und Second-Hand-Gewand

Armut bedeutet im Fall von AlleinerzieherInnen vor allem den oft kompletten Verzicht auf die Erfüllung eigener Wünsche und Bedürfnisse, um dem Kind die Peinlichkeit des "Armseins" zu ersparen. "Für sich selbst machen die Betroffenen oft gar nichts mehr", so Nadler. Auf Schulschikurse nicht mitfahren zu können, nie das neueste Spielzeug zu haben und Kleidung aus Second-Hand-Shops zu tragen, steht für die Kinder aus armutsgefährdeten Familien trotzdem auf der Tagesordnung. "Von Urlauben reden wir hier erst gar nicht", so Nadler. Ob man den Absprung aus der Armutsfalle schaffe, hänge stark vom sozialen Netz ab, das mit Zeit und notfalls auch Geld aushelfen könne.

Nicht nur für AlleinerzieherInnen, sondern für alle Betroffenen führt materielle Armut oft auch zu einem komplexen Geflecht aus ungesunden und beengten Wohnverhältnissen, prekären und schlechten bezahlte Jobs und einem Verlust von Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. "Armut ist auch Armut an Chancen, ein Mangel an Möglichkeiten und an lebenswerten Lebensbedingungen", so Schenk. (Anita Zielina, derStandard.at, 21.1.2009)