Der Madoff-Betrugsskandal könnte Investoren auch in Österreich weitere unliebsame Überraschungen bringen. Das US-Konkursrecht gibt dem Masseverwalter nämlich die Möglichkeit, "wohlverdiente" Gelder abzuschöpfen.

***

Nach Bekanntwerden des wahrscheinlich größten vermuteten Finanzbetrugsskandals der Welt im Dezember 2008 hat die US-Wertpapieraufsicht (SEC) eine Klage beim New Yorker Gericht gegen Bernard Madoff und dessen Fondsgesellschaft eingebracht, mit der eine Abwicklung der Gesellschaft im Wege der Insolvenz sowie das sofortige Einfrieren aller noch vorhandenen Gelder beantragt wurde. Laut SEC-Klage hat Madoff ein betrügerisches Schneeballsystem (Ponzi Scheme) von "wahrscheinlich epischer Dimension" errichtet und betrieben. Das Gericht verfügte die konkursmäßige Abwicklung und setzte einen Masseverwalter ein, dessen Aufgabe es nunmehr ist, so viel Geld wie möglich zu lukrieren, um es an die geschädigten Gläubiger fair zu verteilen.

Investoren müssen sich nun nicht nur um ihr wahrscheinlich verlorenes Kapital sorgen, sondern auch darum, ob sie nicht auch erhaltene Zahlungen zurückzahlen müssen, wenn sich der Masseverwalter diese näher ansieht. Dieser wird nämlich versuchen, die Masse so weit wie möglich zu vergrößern, um die bestehenden Gläubigerinteressen bestmöglich zu befriedigen. Dazu kann er versuchen, Drittparteien in die Pflicht zu nehmen, die am System mitgearbeitet haben, etwa Wirtschaftsprüfer und Anwälte, aber auch jene Investoren, die vom System profitiert haben, weil sie vor dem Platzen der Blase entsprechende Rückflüsse erzielten.

Die dazu dienlichen Instrumente des Konkursrechts sind mannigfaltig und reichen von der Behauptung der Gläubigerbegünstigung bis hin zur allgemeinen Anfechtung, ohne dass es des Nachweises einer Mitwisserschaft bedarf. Da die Wiener Bank Medici zu den größten Betroffenen im Madoff-Konkurs gehört, tangiert das auch viele heimische Anleger.

Gläubigerbegünstigung

Was sind nun die Voraussetzungen für die erfolgreiche Geltendmachung eines solchen Anspruchs? Die offensichtlichste Rechtsgrundlage für einen Anspruch ist die kridamäßige Gläubigerbegünstigung, wobei es dafür sowohl einzelstaatliche Rechtsgrundlagen wie auch Bestimmungen der Bundes-Konkursordnung gibt. Während die tatsächlichen betrügerischen Handlungen (fraudulent transfers) Vorsatz bzw. Kenntnis voraussetzen, was wohl nur in den wenigsten Fällen nachzuweisen sein wird, ist dieser Nachweis beim sogenannten constructive fraud nicht notwendig, wenn(1) die Veranlagungen vor Eröffnung des Konkurses erfolgt sind,(2) sie inkongruent waren (d.h. für weniger als einen angemessenen Gegenwert erfolgten) und
(3) der Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung schon insolvent war.

Schneeballsystem-Nachweis

Gelingt es dem Masseverwalter nachzuweisen, dass das Madoff-System tatsächlich ausschließlich ein Schneeballsystem war, hat er nach der ständigen Judikatur der Gerichte schon einen entscheidenden Erfolg erzielt. Dann gelten nämlich die Frage der Insolvenz und die der mangelnden Kongruenz als angenommen und es fragt sich nur mehr, wie weit zurück Zahlungen angefochten werden können. Das richtet sich wiederum nach einzelstaatlichem Recht; starre Fristen wie im österreichischen Anfechtungsrecht gibt es dabei nicht.

Wie können sich Betroffene verteidigen? Der Gutglaubensbeweis kann dann eine Abhilfe schaffen, wenn zugleich auch die Kongruenz erfolgreich nachgewiesen wird. Die Gerichte werden dabei mit Sicherheit folgende Faktoren beurteilen: die Professionalität des Investors, seine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell des Fonds, die Unüblichkeit der versprochenen Renditen insbesondere in Bezug auf das eingegangene Risiko, und ob der Investor vermutete oder vermuten konnte, dass hier ein Schneeballsystem betrieben wurde.

Für die Frage der Inkongruenz werden sich die Gerichte wohl mit der Höhe der zurückgezahlten Gelder befassen, wobei als Leitlinie gilt, dass alles, was betragsmäßig über das eingezahlte Kapital hinausgeht, jedenfalls als inkongruent angesehen und zurückgezahlt werden wird müssen. Wer also satte Renditen verdient und dann vielleicht zeitgerecht sein Kapital abgezogen hat, wird am ehesten doch noch zur Kassa gebeten werden.

In jedem Fall lohnt es sich, auch die anfechtungsrechtlichen Komponenten dieses Skandals bei der Planung der weiteren strategischen Vorgangsweise mit zu berücksichtigen, um keine noch böseren Überraschungen zu erleben. (Franz J. Heidinger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.1.1.2009)