Wien - "Wie oft waren Sie eigentlich verheiratet?", unterbricht Richter Peter Liebetreu das Aufzählen der vielen früheren Namen von Sieglinde S. "Fünfmal", zählt die Angeklagte nach. "Nein, sechsmal. Einen hab' ich zweimal geheiratet." Ob darunter eine Scheinehe gewesen sei? "Nur eine", beteuert die 41-Jährige. Aber die eigenen waren nicht die einzigen, bei denen sie war. Liebetreu: "Sie hat auf vielen Hochzeiten getanzt."

Die Hochzeiten, auf denen die "Sigi" sonst noch "tanzte", waren Scheinehen, die sie und ihr Mann vermittelt hatten, um Ausländern einen Aufenthaltstitel oder die österreichische Staatsbürgerschaft zu erschwindeln. Sieben "vollendete" Ehen und einen Versuch wirft ihr Staatsanwältin Alexandra Dachler vor. Die "Bräute" bekamen dann aber nur einen Bruchteil oder nichts vom versprochenen Geld.

Es seien Freundinnen gewesen, die sie vermittelt habe, erklärt die Angeklagte: "Wissen Sie, dass ich schon keine Freundinnen mehr hab'?", weint Sieglinde S. Darauf Richter Liebetreu: "Wissen Sie, dass ich mir das vorstellen kann?"

Sogar die Freundin ihres Sohnes hatte sie pro forma mit einem Ausländer verbandelt. "Was hat denn Ihr Sohn dazu gesagt, dass seine Freundin heiratet?", fragt der Richter nach. Der sei bei der Hochzeit ja dabei gewesen. Als Trauzeuge. "Die Hochzeit meines besten Freundes", murmelt Liebetreu.

Zweimal scheingeheiratet

Jennifer, die gewesene Schwiegertochter in spe, hatte sogar zweimal scheingeheiratet. Erst einen Tunesier und nach der Scheidung einen Kandidaten aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die Aussagen der Zeugen laufen immer nach dem gleichen Muster ab. Die "Bräute", wie Jennifer, gestehen die Scheinehe. Die "Gatten", wie der tunesische Pizzabäcker, erklären: "Es war Liebe." Er habe sich dann nur scheiden lassen, "weil sie einen Freund hatte und Alkoholikerin war".

Sieglinde S. betont aber, dass sie das alles nur auf Druck ihres damaligen Ehemannes getan habe. Und belegt das mit einem SMS, das der vor dem Prozess geschickt habe: "Sigi, du musst die Klappe halten, sonst bring ich dich um, du Hure."

Sie wird rechtskräftig zu 15 Monaten bedingt verurteilt. "Wo ist Ihr böser Ex-Mann eigentlich?", will Liebetreu wissen, da nach dem vergeblich gefahndet worden war. Sieglinde S.: "Ich glaub, er is' in der ,Dolce Vita‘-Pizzeria." (Roman David-Freihsl/DER STANDARD-Printausgabe, 20.1.2009)