Madrid  - Die italienische Mafia benutzt Spanien immer häufiger als Operations- und Rückzugsgebiet in Europa. Einige ihrer prominentesten Chefs haben sich auf der Flucht vor der italienischen Polizei an der spanischen Mittelmeerküste versteckt, von wo aus die Mafiosi ihre Drogengeschäfte weiterführen. Das bestätigte Gaetano Maruccia, Kommandeur der Carabinieri in Neapel, am Montag der spanischen Zeitung "El Pais".

Das Klima, die kulturelle Nähe, die Infrastruktur kolumbianischer Drogenhändler in Spanien sowie die Möglichkeiten, das aus dem Rauschgifthandel gewonnene Geld über den bis vor kurzem noch blühenden Immobilienmarkt in Spanien unbemerkt rein waschen zu können, machten vor allem Spaniens Küste zu einem beliebten Rückzugsgebiet der italienischen Camorra, erklärt Maruccia.

Die Festnahmen berühmt-berüchtigter Mafia-Chefs in den vergangenen Monaten in Spanien untermauern die Aussagen des italienischen Mafia-Fahnders. Erst am vergangenen Samstag wurde in Barcelona der Mafia-Boss Salvatore Zazo festgenommen. Der 52-jährige Chef der neapolitanischen Camorra wohnte seit Monaten in der spanischen Mittelmeermetropole, von wo aus er in enger Zusammenarbeit mit kolumbianischen Drogenhändlern das Kokaingeschäft in Neapel leitete und mit Rauschgift versorgte.

Camorra-Boss verhaftet

Zuvor ging einer Sondereinheit der spanischen Polizei im September der 55-jährige Camorra-Boss Mario Santafede ins Netz. Der Mafiosi, der sich seit 2004 auf der Flucht befand, wurde ebenfalls in Barcelona festgenommen. Er gehörte zu den 100 meistgesuchten Bossen der Camorra.

Im August konnte die spanische Polizei in Zusammenarbeit mit den italienischen Carabinieri in der spanischen Küstenstadt Girona sogar den 49-jährigen Patrizio Bosti dingfest machen. Der Mafia-Boss eines der 80 Camorra-Clans war in Neapel in Abwesenheit wegen Mordes und Drogenhandels zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Seit 2005 hielt er sich in Spanien versteckt. Er steht ganz weit oben auf der Liste der 30 meistgesuchten Mafia-Chefs überhaupt.

Bereits vor einigen Monaten erklärte auch Roberto Saviano, der italienische Autor des Bestsellers "Gomorrha", die Camorra wickelt die ganz großen Geschäfte mit Rauschgifthandel und Geldwäsche vor allem über das Baugewerbe in Spanien ab. "Die Costa del Sol wird bei den Camorristi schon cosa nostra ('unsere Sache') genannt", so der Mafia-Experte und der Autor des derzeit wohl bekanntesten Buchs über die italienische Camorra in einem Interview mit "El Pais".

Die Camorra, so Saviano, würde das Geld aus dem Drogenhandel vor allem in Hotel- und Restaurantprojekte entlang der gesamten spanischen Küste sowie auf den Ferieninseln der Balearen und der Kanarischen Inseln investieren. Zudem würden sie dort in den Heerscharen von ausländischen Touristen und Hausbesitzern nicht auffallen. (APA)