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ZUR PERSON: Ulrike Lunacek (51) gewann beim grünen Bundeskongress am Sonntag die Stichwahl (gegen Johannes Voggenhuber) für den Spitzenplatz auf der grünen EU-Liste für die Europawahlen am 7. Juni. Derzeit ist sie außenpolitische Sprecherin der Grünen im Nationalrat und Sprecherin der europäischen Grünpartei.

Foto: APA/Neubauer

Standard: Die anderen Parteien sehen seit Ihrer Wahl eine Linkswende im EU-Kurs der Grünen dräuen. Wird es dazu kommen?

Lunacek: Wenn diese Leute meine Rede am Sonntag (beim grünen Bundeskongress, Anm.) gehört hätten, wäre ihnen klar, dass ich eine leidenschaftliche Europäerin bin. Das ist so wie mit Personen, die man liebt - wenn es eine gute Liebe ist, muss man sie auch kritisieren dürfen, wenn sie ihre Versprechen nicht erfüllen. Die Kritik, die die Grünen immer wieder geäußert haben, wird es weiter geben. Zum Beispiel in Gentechnikfragen, was die Atomlobby betrifft, aber auch den oftmals neoliberalen Wirtschaftskurs. Mir geht es um ein starkes, soziales und ökologisches Europa. Dafür will ich mit dem Grünen New Deal die Menschen gewinnen.

Standard: Es gibt es nach dem Abschied Johannes Voggenhubers aus der Politik also keinen Kurswechsel?

Lunacek: Nein! Es ist überhaupt keine Kursänderung angesagt an einer kritisch-konstruktiven Europapolitik. Ich hatte schon bisher mit Johannes Voggenhuber inhaltlich kaum Differenzen. Es geht eher darum, welcher Stil in Zukunft an denTag gelegt wird: Ich geh gerne auf die Menschen zu, kann überzeugen und gewinnen. Ich habe ein "inniges, aber auch gnadenloses" Verhältnis zur EU - so wie Thomas Bernhards' Verhältnis zu Österreich: Innig ob der Vision und Werte, gnadenlos, wenn Versprechen nicht eingelöst werden.

Standard: Wie stehen Sie zum EU-Beitritt der Türkei?

Lunacek: Die Türkei ist 1999 als Kandidatenland anerkannt worden, verbunden mit einer Reihe von Auflagen. Es wurde seither eine Reihe von Reformen im Land durchgeführt. Die Beitrittsoption ist für die Türkei ein Reformmotor in der Frage von Menschen- und Minderheiten- sowie Frauenrechten. Deswegen finde ich, dass die Beitrittsoption offenbleiben und als Ziel bestehen muss. Ob das tatsächlich gelingen wird, das weiß ich jetzt aber noch nicht. Und die EU musssehr wohl weitere Schritte zu mehr demokratischer Gestaltung machen, bevor sie die Türkei aufnehmen kann. Das ist ein offener Prozess, aber ich finde, dass die Beitrittsoption bleiben muss.

Standard: Sollen auch die Balkanländer beitreten?

Lunacek: Südosteuropa muss auf jeden Fall Teil der EU werden.

Standard: Wie soll es mit dem Reformvertrag weitergehen?

Lunacek: Die Entscheidung, dass Irland nochmal abstimmt, liegt nicht an Österreich oder den österreichischen Grünen, das hat die irische Regierung so entschieden. Ich hoffe - wie auch die irischen Grünen - dass die zweite Abstimmung positiv ausgeht und der Reformvertrag, der wichtige demokratische Fortschritte bringen würde, in Kraft treten kann. Wenn nicht, wollen wir Grüne versuchen, über einen European Act for Democracy jene Teile des Vertrages, die diese demokratischen Fortschritte bringen, zu retten.

Standard: Bei der Frage der nationalen Volksabstimmung über den Reformvertrag gibt es auf der grünen Liste Differenzen: Sie sind dagegen, die drittgereihte Kandidatin Monika Vana ist dafür. Was sollen sich die Wähler in dieser Frage erwarten?

Lunacek: Die Grünen haben mit ihrer Entscheidung für mich als Spitzenkandidatin auch das Ja zu europäischen Volksabstimmungen und das Nein zu einer nationalen Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag bekräftigt. Ich habe mich immer gegen eine nationale Volksabstimmung wegen der großen Gefahr des nationalistischen Missbrauchs durch die Rechten ausgesprochen. Das ist - wie bisher mit Voggenhuber - die Linie für die weitere Grüne Europapolitik.  (Andrea Heigl, DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2009)