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Nach Ansicht von Carl Bernstein hat Obama mit der Nominierung Hillary Clintons „eine schlaue Wahl" getroffen. Es sei besser, „als dass beide Clintons an der Seitenlinie stehen oder auf den hinteren Bänken sitzen und kritisieren".

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STANDARD: War es eine gute Wahl, dass Barack Obama Hillary Clinton gefragt hat, ob sie Außenministerin werden will?

Bernstein: Das ist eine schlaue Wahl. Wir müssen abwarten, wie sie sich schlägt. Ich glaube aber, Obama profitiert nicht nur von ihrem, Hillarys, Rat, sondern auch beträchtlich von der Erfahrung Bill Clintons. Er ist sehr erfahren in der Außenpolitik, schließlich war er der Präsident. Welche Welterfahrung sich daraus ergibt, daraus wird Obama vorhersehbar Profit ziehen. Es ist auch viel besser so, als dass beide Clintons an der Seitenlinie stehen oder auf den hinteren Bänken sitzen und kritisieren. Aber offenkundig gibt es auch Risiken, die in der Dynamik der Persönlichkeit liegen.

STANDARD: Welche Risiken?

Bernstein: Die sind offensichtlich. Sie kann manchmal ihre eigene Agenda verfolgen. Aber ich zweifle, dass das oft der Fall sein wird.

STANDARD: Welche Rolle wird Bill Clinton genau spielen? Werden die beiden als Team auftreten, wird er im Hintergrund als Berater bleiben?

Bernstein: Ich weiß es nicht genau. Sie ist auf jeden Fall die Außenministerin. Man wird sehen.

STANDARD: Welche größeren Veränderungen erwarten Sie in der US-Außenpolitik?

Bernstein: Journalisten sollten nicht Vorhersagen machen. Als Journalist sollte man vor allem Reporter sein. Man muss das hernehmen, was Obama und Clinton bisher gesagt haben und das verfolgen. Sie und Obama sehen, dass die Lage im Nahen Osten ganz offensichtlich explosiv ist. Es braucht mehr Flexibilität. Es wird Bewegungen von US-Truppen im Irak geben.

STANDARD: Wird es ihre Außenpolitik sein oder Obama die Richtlinien vorgeben?

Bernstein: Ich glaube, ihre Außenpolitik wird genau das sein, was Obama als seine Außenpolitik angekündigt hat. Mit den Adaptierungen, die notwendig sind, wenn sie und Obama einmal im Amt eingearbeitet sind. Sie werden ihre generelle Sicht auf die Welt, die sie während der Kampagne vertreten haben, umsetzen. Aber Obamas Sicht zählt viel mehr als Clintons. Der große Unterschied wird sein, dass Wirtschaftspolitik sehr viel mehr Teil der Außenpolitik sein wird. Wir sind Teil einer weltweiten rezessiven Depression.

STANDARD: Wenn man Ihr Buch gelesen hat, dann kristallisiert sich heraus: Die zwei fundamentalen Elemente in Hillary Clintons Leben sind ihre Familie und die Religion. Wie wirkt sich das auf ihre Arbeit aus?

Bernstein: Sie haben richtig gelesen, das sind die zwei wichtigsten Dinge in ihrem Leben. Sie bezieht Kraft aus beidem. Wenn ihre familiäre Situation in Balance ist, dann wirkt sich das auf ihre Arbeit aus, sie wird geschmeidiger. Wenn die Balance nicht stimmt, dann ist sie mit ihrem Privatleben beschäftigt, das wirkt sich natürlich aus. In allen Lebenslagen findet sie stets Kraft in der Religion.

STANDARD: Gerade während der Lewinsky-Affäre hat sich gezeigt, dass sie eine sehr starke Persönlichkeit ist. Wird sie Schwierigkeiten haben, sich einem US-Präsidenten Obama unterzuordnen?

Bernstein: Sie ist eine starke Frau. Im Senat war sie sehr erfolgreich darin, mit anderen Senatoren koalitionäre Beziehungen zu knüpfen. Das war ganz anders, als sie noch im Weißen Haus war. Das ist für sie eine tolle Möglichkeit, dem Lande zu dienen. Natürlich weiß sie auch, was es heißt, First Lady zu sein, und was die Vorrangstellung des Präsidenten bedeutet. Deshalb ist es nicht unbillig zu denken, dass sie sicher weiß, was passiert, wenn Mitarbeiter des Präsidenten - unabhängig davon, wie großartig ihre Position ist - sich die Auffassung anmaßen, dass es ihre Politik ist und nicht die des Präsidenten. Sie kann unterscheiden. (Alexander Föderl-Schmid, STANDARD, Printausgabe, 20.1.2009)