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Nicht weiß, und fürs TV lange vor Obama im Weißen Haus: Serien-"Präsident" Jimmy Smits. Hier wirbt er ganz real für Obama.

Foto: Reuters/Kevin Kolczynski

Wien - Barack Obama ist schuld am Ende von "The West Wing". 2005 gewann der demokratische Kandidat aus einer ethnischen Minderheit in der NBC-Serie die Wahl zum US-Präsidenten. Und "West Wing" hatte ein Problem.

Egal wie die nächsten Wahlen im echten Amerika ausgehen würden: Die Serie hätte nur verlieren können. Entweder wäre das Ergebnis zu dicht an der Realität gelegen. Oder "West Wing" hätte sich als Gegenentwurf überholt, hätte es nach Bush wieder ein Ultrakonservativer an die Spitze geschafft. Zeit aufzuhören also. Dass sich die Realität so an ihr Seriendrehbuch hält, konnten die "West Wing"-Macher nicht wissen. Die von Spindoktoren entmündigten Politiker ahmen Film- und Seriencharaktere nach.

Autoren im Weißen Haus

"The West Wing"-Autor Eli Attie arbeitete fünf Jahre im Weißen Haus, war Clintons Kommunikationsassist und Al Gores wichtigster Redenschreiber. "The West Wing", Produkt der Clinton-Ära und 1999 erstmals im Programm, entwarf ein Paralleluniversum, das die Realität widerspiegelte: "Wir brauchten dieses Spiegelbild, nicht die Realität", sagte Attie, der den damals noch unbekannten Obama als Vorbild für seinen TV-Präsidenten nahm.

Die prognostischen Qualitäten von "The West Wing" beeindruckten schon im Wahlkampf: Der republikanische Kandidat in der Serie war wie John McCain ein Herr im gesetzten Alter, der gerne die Unerfahrenheit seines Gegners beklagte. Der Präsident Matt Santos (Jimmy Smits) war Bob-Dylan-Fan - wie Obama. Und er setzte sich über die Rassenfrage hinweg: "Ich möchte nicht der braune Kandidat sein. Ich möchte der amerikanische Kandidat sein." Fast Wortidentes kam drei Jahre später von Obama. Nur ein kleiner Drehbuchfehler: Bei Smits fehlte "Yes we can!"

"The West Wing" wollte zeigen, wie die USA ohne George Bush aussehen. Smits Vorgänger, Josh Bartlet (Martin Sheen), war über Jahre Präsident der Herzen, der Wunsch-Staatschef. Von dieser Art gab es während Bush einige: Schon zwei schwarze Präsidenten regierten die USA allein in "24". Einer, David Palmer, habe Obama den Weg bereitet, meinen Kommentatoren:

Die Serie sei 2001 der Wirklichkeit zuvorgekommen. Hoffentlich nicht: Der Präsident aus "24" - ein Model aus John F. Kennedy und Martin Luther King Jr. ist Bollwerk an Ehrlichkeit und aufrichtiger Kämpfer gegen Terror und Korruption. Der Idealtyp fiel in Staffel fünf einem Anschlag zum Opfer. "Sein Tod war ein Fehler", sagte sein Darsteller Dennis Haaysbert in der Arte-Doku "Mr. President" und kritisierte: "Ein Knalleffekt wegen der Quoten." In Staffel sieben (seit 12. Jänner auf Premiere) hat es Geheimagent Jack Bauer (Kiefer Sutherland) erstmals mit einer Präsidentin zu tun. Die erinnert von Statur und Frisur am ehesten an Angela Merkel.

"Commander in Chief"

Bei Frauen funktioniert der Serieninstinkt der Drehbuchautoren ohnedies noch nicht. Geena Davies erlebte in "Commander in Chief" als erste US-Serienpräsidentin ein Quotendesaster. Laura Roslinin (Mary McDonnell) wird in "Battlestar Galactica" anfangs abfällig "Erziehungsministerin" oder "Lehrerin" genannt. Nach den TV-Ratings zu schließen, sind die USA nicht reif für eine Präsidentin. McDonnell glaubt, ihre Landsleute täten sich schwer, Realität und Fiktion zu unterscheiden. Nicht von ungefähr: TV-Debatten gehen als Castingshow im Realitysumpf durch. NBC übertrug das "West Wing"-TV-Duell live. Zehn Millionen schauten zu. Nach der Sendung stimmten 54 Prozent im Internet für Smits. Ob inszeniert oder nicht, ist für politikverdrossene US-Bürger vor der perfekten Kulisse und im Polit-Entertainment womöglich schwer nachvollziehbar.

Im Wahlkampf bezogen sich Serien zuhauf auf Obama. Animationsformate wie "South Park" und "Family Guy" witzelten. Die Lesben aus "The L-Word" versahen George W. Bush mit dem "F-Wort". Obama-Osama-Verwirrung stiftete "30 Rock". Dessen Hauptdarstellerin Tina Fey überzeugte in der Komikshow "Saturday Night Life" mit spitzen Sarah-Palin-Parodien.

Obama lässt sich von TV-Formaten inspirieren. Als Lieblingsserie nennt er "The Wire". Risikofrei: Kritiker landauf, landab zählen die Drogenpolizisten in Baltimore zum Besten der Serienwelt. Obama schaut auch "Mad Men" und amüsiert sich anscheinend über rassistische Witze der Werber aus den 1960er-Jahren. In Foren wird er mit Don Draper verglichen. Der weiße Werbeguru aus "Mad Men" verkaufe Träume, er sei "groß, attraktiv und tadellos gekleidet".

Aliens, Asteroiden und Iran

Will Obama mit seinen fiktiven Amtskollegen Schritt halten, muss er sich anstrengen. Denn was ein idealer Präsident zu tun hat, davon gibt es inzwischen genaue Vorstellungen aus Filmen wie "Air Force One" und "Independence Day": Flugzeuge retten, Aliens bekämpfen, das Land einen, nachdem ein Asteroid die Erde zerstört hat. Die fiktiven Präsidenten sagen Wahrheiten, die in echt niemand sagen oder tun darf, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen. Ob er sich ohne Vorbehalte mit den Regierungschefs des Iran, Syriens, Pakistans an einen Tisch setzen würde? "Ja", sagte Obama ohne zu zögern. Nur der Film- und Fernsehpräsident würde so etwas tun. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 20.1.2009)