Sofia - Angesichts der Gaskrise wird in Bulgarien überlegt, bereits abgeschaltene Blöcke im Atomkraftwerk Kosloduj wieder hochzufahren. Die EU hatte die Abschaltung der Reaktoren aus Sicherheitsgründen durchgesetzt. "Die Regierung hat bereits die technische Vorbereitung für einen Neustart beschlossen," sagte Premier Sergej Stanischew im Nationalradio.

Am Sonntag forderten rund 10.000 Anhänger der politischen Bewegung Napredak eine engagiertere Energiepolitik, die den Schlüssel für die Stabilität des Landes und der Region darstelle. Die Teilnehmer an der Großkundgebung vor dem Regierungssitz in Sofia waren aus dem ganzen Land zusammengekommen. "Für eine starke bulgarische Wirtschaft" und "Vorwärts zum Hochfahren der Blöcke 3 und 4!", hieß es auf den Transparenten.

Fast zwei Wochen schon lähmt die Gaskrise Bulgarien. Das Land ist von dem Gaslieferstopp stark betroffen, weil es Gas nur über die Ukraine beziehen kann und keine alternativen Transitwege hat und die eigenen Reserven nur noch bis zum 21. Jänner reichen. Dann wird es besonders für die bereits angeschlagene Industrie kritisch.

Keine Dauerlösung

Um einem Kollaps der Wirtschaft vorzubeugen, nahm die bulgarische Regierung in den vergangenen Tagen Verhandlungen mit den Nachbarstaaten Griechenland und der Türkei auf und erreichte mit Griechenland eine Vereinbarung über tägliche Gaslieferungen von zwei Millionen Kubikmeter. Dieses positive Verhandlungsergebnis stelle jedoch keine dauerhafte Lösung dar. Deshalb sprachen sich der Präsident Georgi Parwanow und Premier Stanischew für eine Wiederinbetriebnahme eines Reaktors in Kosloduj aus.

In 40 Tagen soll der Block technisch so weit sein, meinte Stanischew und betonte, dass Bulgarien - im Unterschied zur Slowakei - laut EU-Beitrittsvertrag in Krisensituation die Rechtsgrundlage für so einen Schritt hätte. Die Regierung wolle aber mit der EU-Kommission im Dialog bleiben.

Die verstärkte Anwendung von Atomenergie hat in Bulgarien aber auch viele Gegner. "Wenn die Regierung die Blöcke wieder in Betrieb nimmt, täte sie das im klaren Verstoß gegen das EU-Recht", sagte Mintscho Spassow, Vorsitzender der parlamentarischen Sicherheitskommission dem Standard. Das Beispiel Russlands gäbe Bulgarien keinen Grund, Verträge zu verletzen.

Ein Neustart der geschlossenen Reaktoren würde Bulgarien in eine noch größere Abhängigkeit von Moskau setzten, weil der Brennstoff für Kosloduj auch aus Russland bezogen wird. Demzufolge würde die Elektroenergiewirtschaft genauso abhängig von Moskau wie die Gaswirtschaft. (Diljana Lambreva, Sofia, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.1.1.2009)