Jetzt werden im Gazastreifen die Toten gezählt und in den Hauptstädten die nächsten Schritte definiert. Für eine Bewertung der Gaza-Offensive, in dem Sinn, ob sie die von Israel gewünschten Resultate gebracht hat, ist es jedoch zu früh, allen Demonstrationen von Zufriedenheit in der israelischen Führung zum Trotz, mit denen die Ausrufung des einseitigen Waffenstillstands begleitet war. Dass der Hamas ein schwerer militärischer Schlag versetzt wurde, bestreitet niemand - welche Folgen das genau haben wird und ob sie alle erwünscht sind, weiß man nicht.

Ein „einwöchiger" Waffenstillstand der Hamas, die über die Leichen der Menschen in Gaza geht, die Israel produziert, sagt nicht viel über die mittelfristige Zukunft aus, verschafft jedoch eine Ruhepause, in der, das Wichtigste, den Betroffenen geholfen werden muss. Israel wird in dieser Woche die Hamas-Bedingungen nicht erfüllen. Von den Kräften, auf die die Hamas hört, ist kein mäßigender Einfluss zu erwarten.

Unfertig ist eine weitere wichtige Voraussetzung für Frieden: Die konkreten Pläne zur Sicherung der Gaza-Südgrenze scheinen noch zu fehlen. Dass Israel das vage Memorandum über eine Zusammenarbeit mit den USA genügt - das Kairo, ohne das nichts geht, als nicht relevant bezeichnet -, hat auch etwas mit dem Wunsch zu tun, vor dem 20. Jänner erst einmal einen Schlusspunkt zu markieren. Damit ist der Ball bei der Hamas, und die Schuldfrage geklärt, wenn es danach doch wieder weitergeht.

Die Bearbeitung der politischen Folgeschäden, und zwar für alle Beteiligten, wird ebenfalls haarig. Damit, dass die Bruchlinien, die sich schon beim Libanonkrieg 2006 in der arabischen Welt gezeigt haben, nun voll aufklaffen, kann Israel zufrieden sein - weniger mit der schweren Beschädigung seiner Beziehungen zur Türkei (die bei der Lösung des Grenzproblems in Südgaza eine Rolle spielen wird). Und Katar, Avantgarde, was seine Beziehungen zu Israel anbelangt, schließt die israelische Handelsvertretung.

Kollateralschäden anderer Art sind indes überall, auch in Österreich, zu vermelden. Ein minimaler menschlicher Konsens zwischen den Lagern war nicht zu erreichen. Offizielle Vertreter nehmen sich das Recht, „ihre" Gruppe selbst zu definieren, „alle Juden", „alle Muslime", obwohl jeder weiß, dass das nicht stimmt. Und auch Nichtmuslime und Nichtjuden werden kategorisiert. Aber nicht jeder, der die Offensive kritisiert hat, ist ein Hamas-Anhänger, und nicht jeder, der der Hamas Schuld zuspricht, ist für diese Offensive. Aber während eines Kriegs gibt es eben keine Differenzierung. Da gilt es Fahnen zu schwingen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD Printausgabe, 19.1.2009)