Prag - Am kommenden Freitag sind vierzig Jahre seit der verzweifelten Tat des Tschechen Jan Palach vergangen. Der Student der Philosophischen Fakultät der Prager Karls-Universität verbrannte sich am 16. Jänner 1969 um 15.00 Uhr aus Protest gegen die andauernde Okkupation der Tschechoslowakei durch die Warschauer-Pakt-Truppen. Auf dem Wenzelsplatz im Prager Stadtzentrum begoss er sich vor den Augen der Öffentlichkeit mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete ein Streichholz an. Er wollte damit die Öffentlichkeit zum Widerstand gegen die schleichende "Normalisierung" aufrütteln.

Palach starb drei Tage später in einem Prager Krankenhaus, was nicht nur die damalige Tschechoslowakei, sondern auch die gesamte Welt erschütterte. Mehr als 80 Prozent seiner Hautfläche wiesen Verbrennungen auf. In den nächsten Tagen und Wochen folgten weitere 26 junge Leute dem Beispiel Palachs. Sieben von ihnen überlebten den Versuch einer Selbstverbrennung nicht. Keiner von ihnen wurde aber so bekannt wie Palach. Er war die erste "lebendige Fackel", die entflammte, und in den folgenden Jahren zu einem Symbol des Widerstandes gegen das kommunistische Regime wurde.

Erst kürzlich haben tschechische Historiker einen Brief gefunden, der neue Erkenntnisse über die Pläne Palachs gebracht hat. In dem Schreiben forderte er vom damaligen Studentenführer Lubomir Holecek, dass die Studenten das Rundfunkgebäude in Prag besetzen und eine Aufforderung zum Streik ausstrahlen sollten. "Ohne die Hilfe von Massenmedien kann es keine wirksame Aktion werden", schrieb Palach an seinen Kollegen.

Trotz des dramatischen Todes von Palach, dessen Beisetzung am 25. Jänner 1969 zu einer Massen-Manifestation gegen die Okkupanten wurde, gelang es nicht mehr, die Öffentlichkeit zu einer derartigen Meinungsäußerung zu mobilisieren. Die Anwesenheit der sowjetischen Panzer sowie der spätere Antritt einer neuen Parteiführung im April 1969, bei der Alexander Dubcek durch Gustav Husak ersetzt wurde, versetzten die Öffentlichkeit in Apathie und später auch in Angst. In den 70er Jahren zwangen die Behörden Palachs Familie, die Überreste Palachs vom Prager Friedhof "Na Olsanech" in seine Heimatstadt Vsetaty (nördlich von Prag) zu überführen.

Erst 20 Jahre später erinnerten sich die Tschechen wieder an Palach und entschlossen sich zu einer Aktion, die unerwartet kam und das kommunistische Regime erschütterte. In der dritten Jänner-Woche 1989 fanden in Prag anlässlich des Todestages von Palach jeden Tag Demonstrationen statt, gegen die die Polizei brutal vorging. Dies spielte sich in einer Atmosphäre ab, in der in Moskau Gorbatschows "Perestrojka" bereits im vollen Gange war - was jedoch den KP-Herrschern in Prag gar nicht gefiel. Vor allem aus Angst, dass die Veränderungen in der Sowjetunion zur Umbewertung des Einmarsches der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei am 21. August 1968 führen könnte.

Diese "Palach-Woche", in der auch der Dissident und spätere Staatspräsident Vaclav Havel von den Kommunisten zum letzten Mal verhaftet wurde, war bereits ein Vorzeichen der baldigen Wende. "Die KP-Führung war überrascht. Diese eine Woche andauernder Proteste zeigten, dass es in Prag genug Leute gibt, die willig waren, etwas für die Änderung der Verhältnisse zu tun", sagt der Direktor des Prager Instituts für zeitgenössische Geschichte Oldrich Tuma.

Im Herbst 1989 war es dann so weit. Eine weitere Serie von Demonstrationen im November brachte das kommunistische Regime in einigen Tagen zu Fall und noch vor Jahresende wurde Havel zum ersten nicht-kommunistischen Staatspräsidenten seit 1948 gewählt. Und Jan Palach konnte seine letzte Ruhestätte wieder dort finden, wo er ursprünglich begraben worden war - in Prags "Na Olsanech". (von Petr Senk/APA)