So eloquent Adnan Ibrahim beim vergangenen Freitagsgebet auftrat, so schweigsam gibt er sich die Tage danach. Zu aufgewühlt sei der Imam wegen der Lage in Palästina, heißt es aus seiner Umgebung, weshalb er derzeit kein Interview gebe. Der 43-Jährige stammt aus Gaza und hat bei den jüngsten israelischen Angriffen Verwandte verloren.

Diese Emotionen seien es auch gewesen, sagen seine Verteidiger, die ihn zu seinen umstrittenen Aussagen in der Schura-Moschee im Wiener Bezirk Leopoldstadt verleitet hätten. Als "Bestie" hat Ibrahim, wie vom Standard berichtet, Israel bezeichnet. Lob zollte der Gelehrte, der auch den stolzen Titel Scheich trägt, hingegen der Hamas und dem Iran.

Es war nicht die erste Kontroverse, die Adnan Ibrahim provoziert hat. Markigen Aussprüchen verdankt der charismatische Redner bereits eine (folgenlose) Anzeige - und eine Metamorphose in der öffentlichen Wahrnehmung. Einst als liberaler Vorzeige-Imam gehandelt, muss er sich mittlerweile von Medien sogar fragen lassen, ob er ein "Hassprediger" sei.

"Schuld" daran sind etwa Protokolle seiner Predigten, die vor zwei Jahren auftauchten. Vom "Jihad" war darin die Rede, und es klang so, als meinte er nicht bloß die "Anstrengung" auf dem Weg zu Gott, sondern den heiligen Krieg. "Wir wünschen uns den Tod", proklamierte Ibrahim: "Lasst uns als Märtyrer sterben."

Adnan Ibrahim bestritt die Zitate nicht, fühlte sich aber falsch interpretiert. Von entstellten Zusammenhängen sprach er, und von linguistischen Finessen. Außerdem, fügen wohlwollende Interpreten hinzu, sei arabische Rhetorik nun einmal deftig. Mancher Sager werde hierzulande zu dramatisch aufgefasst.

Allerdings lebt Adnan Ibrahim schon lange genug in Österreich, um kulturelle Feinheiten zu kennen. 1966 in Palästina geboren, kam er nach nicht abgeschlossenem Medizinstudium in Sarajewo 1995 nach Wien, wo der Familienvater (sechs Kinder) seit einem Fernstudium an einer Beiruter Universität zu einer Art Starprediger avancierte.

Geht es nach seinen offiziell verbreiteten Statements, dann hat die Zeit in Europa abgefärbt. Von einer Fatwa, einem Gutachten, in dem er Ehen zwischen Muslimen und Andersgläubigen ablehnte, hat sich Ibrahim, längst österreichischer Staatsbürger, mittlerweile distanziert. Oft verurteilte er auch Terroranschläge, Genitalverstümmelungen und andere Gewaltakte. Was freilich zum gegenseitigen Unverständnis beiträgt: Bis heute predigt Ibrahim ausschließlich auf Arabisch. (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2009)