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Obama und China: Der kommende US-Präsident ist populär wegen seiner Jugendlichkeit, nicht wegen seiner Forderungen. Obama verlangt vom Billigproduzentenreich China mehr Fairness

Foto: AP /Elizabeth Dalziel

Wien - Mark Ndesandjo könnte noch zu einem Problem für den neuen Präsidenten werden. Leute wie Barack Obamas Halbbruder in Shenzhen, der Hafenmetropole im Perlfluss-Delta, sind der Anti-China-Liga im US-Kongress und bei den Gewerkschaften mehr als verdächtig: kleiner Künstler-Mäzen, Musiker, Unternehmensberater für westliche Firmen, die seine Worldnexus Ltd. nutzen, um schnell das Billigproduzentenreich China anzuzapfen.

Andererseits blieb Mark, Sohn aus einer dritten Ehe von Obamas Vater mit der Amerikanerin Ruth Nidesand, auch während des Präsidentschaftswahlkampfs diskret. Sein Verhältnis zu Barack Obama in dieser komplizierten Weltenbürger-Familie ist distanziert. Nach Obamas Sieg am 4. November verschickte er aber immerhin eine SMS-Botschaft auf Chinesisch an seine Bekannten in Shenzhen: "Ein neues Amerika ist gekommen."

Die Frage ist, was es für China bedeutet. Nicht anders als George W. Bush wird Barack Obama bald nach dem Amtsantritt mit den Forderungen der Exportwirtschaft und den Arbeitnehmervertretern, des Militärs und der Sicherheitspolitiker konfrontiert. Für sie alle ist die Volksrepublik China ein Risiko und ein Rivale in einem. AFL-CIO, die größte Gewerkschaft der USA, hat schon angekündigt, dass sie ihre Petition zur Überprüfung der Arbeiterrechte in China wieder auf den Tisch legen wird. 2004 und noch einmal 2006 forderten die Gewerkschafter die Bush-Regierung auf, zu untersuchen, ob China durch die "dauernde Verweigerung fundamentaler Rechte für Arbeiter" einen unfairen Vorteil beim Handel erreicht und deshalb mit Sanktionen belegt werden muss.

Die AFL-CIO hat natürlich selbst eine Antwort darauf: Sie schätzt, dass China zuletzt einen Kostenvorteil von 43 Prozent hatte im Vergleich zu amerikanischen Erzeugnissen. Der ungleiche Wettbewerb mit den Chinesen soll der verarbeitenden Industrie in den USA wenigstens 973.000 Jobs gekostet haben. Ron Kirk, der frühere Bürgermeister von Dallas und Obamas Wahl für den Posten des neuen US-Handelsbeauftragten, versprach bereits, dass er sich Chinas Regierungsvertreter wegen der Frage der Arbeiterrechte vorknöpfen werde.

Die Wirtschaft definiert Washingtons Verhältnis zu Peking. Der Rest ist zweitrangig, zwar bedeutend, aber bisher immer irgendwie handhabbar: der Aufstieg der chinesischen Armee, Tibet, Taiwan, die Menschenrechte. Chinas dauernder Handelsbilanzüberschuss mit den USA - 170,8 Milliarden Dollar waren es 2008, 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr - und Pekings beharrliche Weigerung, den unterbewerteten Renminbi freizugeben, werden die Obama-Administration von nächster Woche an verfolgen. Konflikte sind hier umso mehr programmiert, als Peking angesichts der globalen Wirtschaftskrise keine Zugeständnisse an die USA machen wird: Chinas Exporte fielen im Dezember stärker als je in einem Monat in den vergangenen zehn Jahren.

Bush hatte seine Kritiker aufgebracht, als er nach seiner Wahl 2001 China als "strategischen Konkurrenten" und nicht als "strategischen Partner" bezeichnete, wie sein Vorgänger Bill Clinton es tat. Die Demokraten sind längst auch dieser Meinung. Im Wahlkampf gab Obama populistisch-gefällige Kommentare zu China ab: Den Import von Spielzeug müsse man verbieten, wegen des Aufstands in Tibet nicht zur Eröffnungsfeier der Sommerspiele fahren. Jetzt siegt wohl der pragmatische Geist. Mona Sutphen, die Obama beriet und Vize-Stabschefin im Weißen Haus wird, gab den Ton vor: Man sollte China umarmen, nicht im Streit begegnen. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2009) .