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Eingriffe am Frauenkörper können gravierende Folgen haben. Umfassende Information tut not.

REUTERS/Yiorgos Karahalis

Nach der Kürettage, der Gebärmutterausschabung, ist die Gebärmutterentfernung die häufigste gynäkologische Operation. Schnitten in Urzeiten der Frauenheilkunde Ärzte die Gebärmutter heraus, um Frauen gegen die Hysterie zu behandeln, tun sie es heute in der Mehrzahl der Fälle, um Myome, gutartige Tumoren, zu entfernen. Absolute Indikationen für eine Gebärmutterentfernung sind Myome aber nicht. "Internationale Studien besagen, dass 40 bis 80 Prozent der Hysterektomien nicht notwendig sind", kritisiert Sylvia Groth, Geschäftsführerin des Grazer Frauengesundheitszentrums. Notwendig sei eine Gebärmutterentfernung nur bei Krebserkrankungen der Gebärmutter oder der Eierstöcke.

In Österreich wurden laut Jahrbuch der Gesundheitsstatistik 2006 rund 11.200 Hysterektomien durchgeführt. Trotz alternativer Behandlungsmethoden bei den "relativen Indikationen" wie Myomen, Blutungsstörungen, Gebärmuttersenkung, -vergrößerung, Endometriose, Verwachsungen ist die Anzahl der Operationen seit 2003 beinahe gleichbleibend - von 2005 auf 2006 sank sie um 300 Fälle.

Grund dafür sei, schreibt der Wiener Gynäkologe Johannes Huber auf seiner Website, "der immer stärker werdende Widerstand der Patientinnen". Aber auch Ärzte hätten erkannt, dass die Gebärmutterentfernung nicht nur die Beseitigung von Geschlechtsdrüsen betreffe, sondern auch die Einschränkung zahlreicher anderer Funk- tionen.

So würden jüngste Forschungen darauf hinweisen, dass die Gebärmutter Gewebshormone bilde, die das Verklumpen von Blutplättchen verhindere. Huber: "Sollte sich diese Annahme - wofür vieles spricht - wissenschaftlich erhärten lassen, dann nimmt die Gebärmutter eine bisher unbekannte eigenständige Funktion zur Sicherstellung der Gesundheit des weiblichen Organismus wahr." Längst erkannt habe die Medizin, dass die Eierstöcke der Frau nicht nur der Fortpflanzung dienen, das Leistungsspektrum des Ovars reiche von der Steuerung des Cholesterinspiegels bis zur Ernährung der Haare.

Zweitmeinung wichtig
Frauen sollten sich eine Entfernung der Gebärmutter oder der Eierstöcke reiflich überlegen, raten die Expertinnen des Frauengesundheitszentrums. Groth: "Wenn kein Krebsverdacht besteht, sollen sich Frauen nicht unter Zeitdruck setzen lassen." Das Einholen einer Zweitmeinung sei unerlässlich. Denn ausschlaggebend für die ärztliche Entscheidung zur Hysterektomie seien leider nicht immer objektive medizinische Standards, sondern die ärztliche Einzelmeinung.

Kritikerinnen sehen den Grund für häufige Hysterektomien auch in finanziellen Anreizen für die Ärzte, latenten sexistischen Motiven, aber auch in fehlender Forschung über die unerwünschten Folgen. Sylvia Groth: "Obwohl Gebärmutterentfernungen häufig gemacht werden, gibt es keine Langzeitstudien über ihre Folgen. Dasselbe gilt für Eierstockentfernungen."

Mögliche körperliche Negativfolgen sind: hormonelle Veränderung und früherer Wechsel, Veränderung der Sexualität, Herz-Kreislauf-Probleme, schmerzhafte Narbenbildung, Darm- und Blasenstörungen, Beschwerden durch Verlust der wesentlichen Stütze des Beckenbodens.

Trauer und Verlust
Frauen, die nicht mehr im sogenannten "gebärfähigen Alter" sind, bekommen immer noch zu hören: "Sie brauchen die Gebärmutter ja eh nicht mehr." Für Sylvia Groth eine "besonders entwürdigende Äußerung", denn für viele Frauen sei die Gebärmutter ein Organ, "das eine besondere Rolle spielt für ihre Identität und Sexualität".

Die psychischen Folgen einer Organentfernung gehen bei diesen Frauen weit über Trauer und Verlustempfinden hinaus, sagt die Psychotherapeutin Eva Radaelli. "Sie sehen ihr Körperbild verändert, fühlen sich nicht mehr 'ganz'". Die Operation wird für sie zur "Konfrontation mit der Endlichkeit, mit dem Tod." Depressionen, Antriebslosigkeit, Libidoverlust sind mögliche Symptome.

Besonders dramatisch kann sich eine Hysterektomie auf Frauen auswirken, die wegen unspezifischer Unterleibsschmerzen operiert wurden, deren wahre Ursache nicht erkannt worden ist. Radaelli: "Leider wird bei der Anamnese nicht hinterfragt, ob Frauen Gewalterfahrungen gemacht haben."

Unspezifische Schmerzen können eine Folge von Traumatisierung durch sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung sein. "Die Operation ist dann ein weiterer Gewaltakt und kann zu einer Retraumatisierung führen." Eine sorg-'fältige interdisziplinäre Anamnese durch Gynäkologinnen und Psychologinnen könnte Negativfolgen verhindern, sagt Radaelli: "Was Frauen wirklich hilft, ist, sie ernst zu nehmen, auf sie einzu- gehen."

Frauengesundheitszentren fordern seit Jahren patientinnengerechte Informationen. Mit der Finanzierung von Kompetenztrainings fördert nun das Sozialministerium Empowerment von Patientinnen und Patienten.

Die Seminare, die sich nicht auf Frauengesundheit beschränken, wurden an der Universität Hamburg entwickelt. Sie sollen fit für die Kommunikation mit dem Arzt, der Ärztin machen. Ziel des Trainings ist die Vermittlung von Know-how und Selbstbewusstsein, um Therapien und Studien kritisch beurteilen und beim Doktor dann die richtigen Fragen stellen zu können. (Jutta Berger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.11.2008)