Die Gasleitung Nabucco ist für die Diversifizierung der Gasversorger und der Gasleitungen unabdingbar; politische Auflagen wie der Verzicht auf iranisches Gas sollten aber nicht länger wirtschaftliche Überlegungen blockieren. Das von der OMV geführte Nabucco-Betreiberkonsortium (dem auch die deutsche RWE, die ungarische MOL, die rumänische Transgaz, sowie Bulgargaz und die türkische Botas angehören) konnte bislang noch keine auseichenden Gaslieferverträge abschließen - noch nicht einmal für die Start-up-Phase, deren Beginn mittlerweile auf 2013 verschoben wurde und die ein Mindestaufkommen an Erdgas von 9 Mrd. m3 (bcm) erfordert. Erdgas aus Azerbajdžan ist für die erste Ausbaustufe die zentrale Bezugsquelle. Die derzeit ausgebeuteten Felder Azerbaidžans liefern bislang nur 9 bcm, von dem der wachsende Binnenverbrauch aber auf die bereits bestehenden Lieferverpflichtungen an Georgien und an die Türkei abgedeckt werden müssen.

2013 wird mit der Phase 2 der Förderung im Shah-Deniz Erdgasfeld zusätzliches Gas in Azerbajdzan produziert werden, aber vorerst nur ca. 15 bcm. Betreiber dieses Konsortiums ist British Petroleum. Nabucco muss daher zusätzlich auf andere Lieferländer zurückgreifen. Das kann auch Russland sein, auch wenn damit das strategische Ziel der Lieferländerdiversifikation aufgeweicht würde.

Die erste Option für das Nabucco-Konsortium ist daher turkmenisches Erdgas. Turkmenistan produzierte 2007 68 bcm, hat aber ab 2010 Lieferverpflichtungen im Umfang von 125 bcm - 85 bcm an Russland, 30 bcm an China und 10 bcm an Iran. Turkmenistan wird zumindest auf absehbare Zeit kein ausreichend hohes Fördervolumen für Nabucco bereitstellen können. Zudem müsste dazu eine Pipeline von Turkmenistan nach Baku geführt werden; aufgrund des umstrittenen völkerrechtlichen Status des Kaspischen Meeres ist aber auch dieses Vorhaben schwierig. Darüber hinaus verhandelt Turkmenistan derzeit auch über den Ausbau seines Exportvolumens in den nördlichen Iran und an der TAPI-Leitung, mit der turkmenisches Gas über das westliche Afghanistan nach Pakistan und Indien exportiert werden soll.

Allerdings ist mittelfristig ein hohes turkmenisches Exportvolumen erwartbar, denn allein das Gasfeld Yolotan-Osman soll bis zu 6 Trillionen cm Erdgas enthalten.

Zusätzlich zum turkmenischen Erdgas könnte auch auf ägyptisches Erdgas zugegriffen werden, das derzeit über Jordanien bis nach Syrien transportiert wird. Diese 'Arabische Gaspipeline' soll in die Türkei verlängert werden, wo deren Gas in Nabucco eingespeist werden kann. Die Türkei könnte dieses Gas aber auch im Mittelmeerhafen von Ceyhan in Flüssiggas (LNG) umwandeln und auf dem Seeweg exportieren.

Langfristig ist auch denkbar, dass das große, noch unerschlossene Gasfeld Akkas im westlichen Irak über die Arabische Gaspipeline in die Türkei geführt und in Nabucco eingespeist werden könnte.

Für die Rentabilität von Nabucco ist eine Transportmenge von 31 bcm erforderlich. Aus derzeitiger Sicht kann dieses Volumen ohne iranisches Erdgas nicht erzielt werden. Zwar exportiert Iran derzeit nur sehr wenig Erdgas (20 bcm) und zwar in die Türkei. Allerdings hält Iran nach Russland die zweitgrößten gesicherten globalen Erdgasreserven (16 Prozent). Bis zu 60 Prozent davon liegen in dem weitgehend unerschlossene Feld 'South Pars'. Zugriff auf dieses Gas ist für die Energiesicherheit der EU strategisch unerlässlich.

Investitionen der OMV in den iranischen Gassektor sind daher sinnvoll. Die Beteiligung an der Entwicklung von Block 12 des "South Pars Gas Field", Investitionen in die Flüssiggasproduktion (LNG) sowie Bezugsverträge von iranischem LNG, das über einen geplanten Regasifizierungsterminal in Kroatien leitungsgebunden nach Zentraleuropa transportiert werden kann, ist aus der Sicht verstärkter Energiesicherheit höchst wünschenswert.
Vorbehalte gegen das iranische Regime und sein Vorhaben, eine nukleare Waffenoption zu entwickeln, sind zwar nachvollziehbar. Deswegen aber die Zusammenarbeit im Energiesektor zu blockieren, ist aus strategischen Überlegungen nicht zweckmäßig. Zwar ist es richtig, dass die steigende Exportkapazität im Gassektor für Iran zusätzliche Exporteinnahmen ermöglicht. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur EU-Konzerne Interesse an den iranischen Erdgasvorkommen haben. Es sind Indien und China, und mittelfristig auch Japan, die erhebliche Gasimporte aus Iran anstreben.

Neben den USA ist es auch Russland, das kein Interesse am Erdgasexport Irans in die EU hat. Gazprom möchte den europäischen Markt exklusiv bedienen und wird alles daran setzen, Irans Gasexporte in die EU zu blockieren und nach Osten zu leiten. Der Verzicht der EU auf iranisches Gas wäre daher ein törichter Beitrag zur Errichtung eines Gaskartells, das erheblichen Preisdruck auf den europäischen Gasmarkt bewirken könnte. (Gerhard Mangott/derStandard.at/12.1.2009)