Wien/Salzburg - Bauer sucht Frau. Und nicht nur der Bauer: In vielen Dörfern liegt in der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Einwohnern bei fünf zu drei. Da sinkt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann noch eine Partnerin finden kann.

Woran das liegt, ist noch sehr wenig erforscht, sagt Gerlind Weber, Raumplanerin an der Universität für Bodenkultur: "Aber zwei Vermutungen liegen nahe: Erstens sind viele Frauen heute besser gebildet als die Männer und finden daheim kaum eine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeit. Und zweitens dürfte es halt nicht so attraktiv sein, in den auf dem Land noch ausgeprägteren patriarchalischen Strukturen zu verbleiben. Da ziehen die Frauen lieber weg."

Stadtluft macht frei, immer noch. Theresia Oedl-Wieser von der Bundesanstalt für Bergbauernfragen fasst die Situation so zusammen: "Es gibt weitgehenden gesellschaftlichen Konsens, Gleichstellung erreichen zu wollen. Frauen sind auch zunehmend in höheren Positionen - dennoch ist die männliche Dominanz, vor allem auf lokaler und regionaler Ebene, in der politischen Öffentlichkeit ungebrochen."

Im Jahr 1953 wurde die erste Frau in Österreich in ein Bürgermeisteramt gewählt - das war in Groß-Siegharts im Waldviertel. Mehr als ein halbes Jahrhundert später gibt es 86 Bürgermeisterinnen in Österreich - ihnen stehen 2271 männliche Amtsinhaber gegenüber -, was einem Anteil von drei Prozent entspricht.

Zum Vergleich: In allen österreichischen Landtagen beträgt der Frauenanteil im Schnitt 31 Prozent, im Nationalrat beträgt er nach der Wahl im September 28,42 Prozent. Im internationalen Vergleich ist der österreichische Frauenanteil gering - doch liegt er auch anderswo auf kommunaler Ebene oft unter dem in der überregionalen Politik erreichten Schnitt: Lettland ragt mit 33 Prozent Frauenanteil im Bürgermeisteramt heraus, es folgen Schweden und Ukraine (je 20 Prozent) vor der Slowakei und den Niederlanden (je 19) - in Deutschland, wo ähnliche gesellschaftliche Strukturen herrschen wie in Österreich, ist nur jeder 20. Bürgermeistersessel weiblich besetzt.

Die Gründe werden vom deutschen Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ähnlich formuliert wie von der österreichischen Forscherin Oedl-Wieser: "Frauen erleben wenige Vorbilder und werden seltener als Männer angesprochen und ermutigt, ein Mandat zu übernehmen. Manche Frauen trauen sich Kommunalpolitik nicht zu, obwohl für den Einstieg gesunder Menschenverstand und die Bereitschaft, sich einzuarbeiten, ausreichen."

Dabei ist die Kommunalpolitik in Österreich wie auch in Deutschland gerade für Frauen der Einstieg in die Politik - und für einen Aufstieg: Es ist ein vertrautes Muster, dass männliche politische Talente oft aus bezahlten Funktionärs- und Sekretärstätigkeiten für Mandate und Exekutivfunktionen rekrutiert werden, während weibliche Talente oft auf kommunaler Ebene gefunden werden.

Wo ist Frau Bürgermeisterin?

Auf einer Tagung über "Genderaspekte in der ländlichen Entwicklung" präsentierte Oedl-Wieser im vergangenen Herbst eine Untersuchung, nach der es für die Frauen auch kaum andere Anknüpfungspunkte gibt: Von 40 Leitungsfunktionen der sozialpartnerschaftlichen Vertretungen in den Salzburger Bezirken ist nur jede zehnte mit einer Frau besetzt.

Andrea Schindler-Perner vom "Lungauer Frauen-Netzwerk" hat vor drei Jahren mit einem Projekt "Die Lungauer Bürgermeisterinnen" aufhorchen lassen - da haben sich etliche Bürgermeister gemeldet und gesagt: "Was soll das? Wo wir ja gar keine Bürgermeisterin im Lungau haben?" Aha! Zumindest die Botschaft wurde verstanden - und hat in alle Parteien hineingewirkt.

Aber es geht eben nicht nur um politische Mitsprache, sondern auch um wirtschaftliche Chancen: 80 Prozent der Lungauer und Lungauerinnen mit Matura verlassen ihre Heimatregion, auch wenn sie dieser verbunden bleiben, wie Rosemarie Fuchshofer in ihrer Studie "Heidi wohnt hier nicht mehr" im Jahr 2001 gezeigt hat.

Die Frauen, die bleiben, sind in einem besonders hohen Maß von Arbeitslosigkeit betroffen - Untersuchungen von Schindler-Perner zeigen nämlich, dass Frauen, speziell Mütter, deutlich weniger flexibel auf dem Arbeitsmarkt sind als Männer: Eine Frau mit einem kleinen Kind kann meistens nicht so weit pendeln wie ein Mann, der Radius ist auf 30 Kilometer beschränkt. Im Zweifelsfall zieht sie einem Arbeitsplatz in einer anderen, reicheren Zentralregion nach. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Print, 12.1.2009)