Graz - Die Stadt Graz hat verschiedene Titel und Rituale, um verdienstvolle Menschen auszuzeichnen. So kann man etwa zum Bürger der Stadt ernannt werden, Träger des Ehrenrings der Stadt werden oder "die größte Ehre, die Graz zu vergeben hat" Ehrenbürger werden. Sucht man unter all diesen Formen der Ehrungen nach Frauennamen, tut man das weitgehend umsonst. Graz hat keine einzige Ehrenbürgerin, und keine Frau erhielt bisher den Ehrenring, den etwa der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger zurücklegte, nachdem sich der Gemeinderat von Graz gegen die Todesstrafe starkmachte. Auf der "niedrigsten" Stufe der Grazer Ehrungen finden sich immerhin 23 Bürgerinnen der Stadt - neben 122 Bürgern.

Missverhältnis

Spätestens seit "woment!", dem ersten feministischen Projekt einer europäischen Kulturhauptstadt, das 2003 in Graz lief, weiß man vor Ort, wie viele große Töchter die Stadt in Politik, Wissenschaften und Künsten hervorgebracht hat. SP und Grüne wiesen auf das Missverhältnis bei den Ehrungen immer wieder hin, bisher erfolglos. Nun starteten die SP-Frauenstadträtin Elke Edlinger, Grünen-Gemeinderätin Daniela Grabe sowie die Frauenreferatsleiterin Doris Kirschner und die Chefin des Frauendokumentations- und Projektzentrums Doku Graz, Maggie Jansenberger, gemeinsam eine Initiative für weibliche Ehrungen.

Mit einem Adventkalender, der 24 mögliche Frauen präsentierte, stimmte man sich Ende 2008 auf das neue Jahr ein. Tatsächlich sind nun bei der nächsten Ehrungsrunde mindestens die Hälfte der im Stadtsenat gehandelten Personen Frauen. "Auch die ÖVP unterstützt das", so Grabe. Die Grünen-Frauensprecherin und Edlinger wollen aber auch, dass so lange mehr als 50 Prozent Frauen pro Runde ernannt werden, bis das Geschlechterverhältnis ausgewogen ist. In der nächsten Gemeinderatssitzung am Donnerstag will Grabe eine diesbezügliche Initiative setzen, die auch ein transparenteres Auswahlverfahren sichern soll.

Philosophin, Feinkostwirtin

Erste Namen auf ihrer Liste verrät Grabe dem Standard schon jetzt: Die Philosophin und Uni-Professorin Elisabeth List, die Künstlerin Ingeborg Strobl, die Leiterin der Marienambulanz der Caritas, Christine Anderwald, sowie die Feinkost-Chefin und Kolumnistin der Straßenzeitung Megaphon, Rose Mild, sind bei den Vorschlägen dabei. Auch Politikerinnen außer Dienst sind auf der Liste. Die langjährige SP-Frauenstadträtin und Vorgängerin von Edlinger, Tatjana Kaltenbeck-Michl, die ehemalige SP-Frauenministerin Helga Konrad und die einstige VP-Umweltministerin und erste Vizebürgermeisterin von Graz, Ruth Feldgrill-Zankel. Für eine "Bürgerin der Stadt", nämlich Grete Schurz, die als erste Frauenbeauftragte von Graz und Österreich Geschichte schrieb, empfiehlt Grabe ein "Upgrade". Schurz soll zumindest Ehrenringträgerin werden.

Dass nicht alle Frauen bereits 60 Jahre alt sind, was für einen Teil der Ehrungen Voraussetzung ist, stört Grabe nicht, denn diese Regel sei ja nicht "in Stein gemeißelt, es soll ja nicht darum gehen, dass jemand schon besonders lange auf irgendeinem Posten hockt". Und, gibt sie scherzhaft zu bedenken: "Vielleicht sind Frauen einfach früher so weit." Die zweitgrößte Stadt der Steiermark, Leoben, hat übrigens auch noch keine einzige Frau zur Ehrenbürgerin gemacht. (Colette Schmidt/DER STANDARD-Printausgabe, 12.1.2009)