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Wer in Österreich arbeiten will und keinE EU-BürgerIn ist, braucht gutes Sitzfleisch und viel Geduld

Foto: AP Photo/Pier Paolo Cito

Das Bild des „Ausländers, der nix hackelt" dient rechten Demagogen regelmäßig als Schmucksteinchen ihrer Wahlkampfreden. Tatsache ist: Davon, dass Zugewanderte, die sich hier niedergelassen haben, auch sofort hier arbeiten dürfen, ist Österreich noch weit entfernt. Eine Bestandsaufnahme.

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Wer legal hier lebt, darf noch lange nicht legal hier arbeiten. Wer glaubt, das sei nur ein Thema für Zugewanderte, irrt. Auch österreichische Staatsangehörige, deren volljährige Kinder, Enkelkinder oder Eltern keine EU-BürgerInnen und erst vor kurzem eingereist sind, leiden darunter: Sie müssen Monat für Monat genügend Geld aufbringen, um auch ihre Angehörigen zu erhalten: Denn selber arbeiten dürfen diese erst fünf Jahre nach ihrer Niederlassung. Der Staat pflegt hier seine BürgerInnen schlechter zu behandeln als zugezogene EU-BürgerInnen: Denn Deutschen, EngländerInnen oder BelgierInnen sowie allen anderen EU-15-BürgerInnen gewährt das Gesetz ein sofortiges Arbeitsrecht, das sich auch auf ihre drittstaatsangehörigen Verwandten erstreckt.

Fünf Jahre warten müssen auch volljährige Kinder, Enkel oder Eltern von hier niedergelassenen Nicht-EU-AusländerInnen. Deren EhepartnerInnen und minderjährige Kinder dürfen bereits nach einem Jahr auf Jobsuche gehen.

Das jahrelange Warten sei vor allem für junge Zugewanderte schlimm, sagt Dunja Bogdanovic von Beratungszentrum für MigrantInnen in Wien. Wer seine Kenntnisse fünf Jahre lang nicht anwenden kann, verliert an Qualifikation, die am österreichischen Markt vielleicht rege Nachfrage finden würde. Selbst nach fünf Jahren können Nicht-EU-BürgerInnen von der freien Jobwahl nur träumen: Wer sich für eine Stelle bewirbt, hat nur dann Chancen, wenn das AMS keineN ÖsterreicherIn dafür findet.

Generell gilt: Zugewanderte, die frisch verheiratet und mit keiner EU-Bürgerschaft gesegnet sind, haben es besonders schwer. Sie sind darauf angewiesen, dass ihrE EhepartnerIn weder arbeitslos, noch einkommensschwach, noch schwanger ist. In diesen Fällen schaut es mit der Niederlassungsbewilligung nämlich schlecht aus: Sie ist an ein bestimmtes Mindesteinkommen geknüpft. Da das Arbeiten erst mit der Niederlassungsbewilligung erlaubt ist, hängt alles von der/dem hier lebenden PartnerIn ab. Somit gilt: Wer reich heiratet, darf früher arbeiten. Wer arm heiratet, muss draußen bleiben - egal, wie hochqualifiziert er oder sie ist.

Einkommenshöhe als Schwelle

Apropos qualifiziert: Selbst, wenn die Wirtschaft über Fachkräftemangel jammert, hilft die Politik ihr nicht unbedingt weiter. Im Gegenteil: Um als Schlüsselkraft anerkannt zu werden, reicht es noch lange nicht, einen bestimmten Arbeitgeber von sich überzeugt zu haben. Nur, wer nachweisen kann, dass er/sie künftig mindestens 2358 Euro brutto verdienen wird, hat eine Chance. Wer zudem keinen in Österreich anerkannten Uniabschluss vorweisen kann, muss zusätzlich glaubhaft machen, dass durch den eigenen Job andere Jobs gesichert werden oder die Region des Unternehmens besonders von dieser Arbeitskraft profitiert. Wer all diese Kästchen abhaken kann, muss nur noch Glück haben, dass keinE ÖsterreicherIn mit ähnlichen Qualifikationen beim AMS gemeldet ist. Denn nur dann wird grünes Licht gegeben - allerdings für maximal 18 Monate, und ausschließlich für diesen einen Job. Wer vorher kündigt (oder gekündigt wird), verspielt damit auch die Arbeitserlaubnis.

„Momentan berücksichtigt das österreichische System die Qualifikation nicht wirklich", bestätigt Bernhard Perchinig von der Akademie der Wissenschaften. Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. In der Regierungsvereinbarung sei zwar die Rede von einem kriterienorientierten Einwanderungssystem. Wie es aussehen wird, wisse man aber noch nicht. Derzeit sind nur die Vorschläge der Interessensvertreter offiziell. Die Unterschiede bei den Punktesystemen in anderen Ländern seien jedenfalls groß, so Perchinig. Während das kanadische eher auf Akademiker abstelle, liege der Schwerpunkt in Großbritannien auf den Facharbeitern. In Österreich ist derzeit die Einkommenshöhe die Schwelle.

Kein Kuschelkurs für Forscher

Forschungsförderung hin oder her: Was ausländische Forscher betrifft, fährt Österreich zumindest aufenthaltsrechtlich keinen Kuschelkurs. Durften WissenschafterInnen und ForscherInnen sich früher „normal" in Österreich niederlassen, so erhalten sie seit 2006 nur noch befristete Aufenthaltstitel. „Selbst, wer zwanzig Jahre in Österreich forscht, muss jedes Jahr neu sämtliche Auflagen erfüllen", sagt Bogdanovic. Wer also vorübergehend kein Einkommen hat, riskiert, die Papiere zu verlieren - in Zeiten, da Wissenschafter oft nur noch Projektanstellungen bekommen, kein unrealistisches Szenario, zumal wissenschaftsferne Jobs unter diesem Titel nicht angenommen werden dürfen.

Auch frischgebackene AkademikerInnen, die bereits bestens Deutsch sprechen, pflegt Österreich zu vergraulen: Denn wer jahrelang mit einem Studentenvisum hier studiert hat, darf nach dem Abschluss nicht hier arbeiten - es sei denn, als Schlüsselkraft. Die oben aufgezählten Kriterien sind jedoch gerade für UniabsolventInnen ohne Berufserfahrung schwer zu erfüllen - zumal auch schon während des Studiums Beschäftigungsbewilligungen laut Bogdanovic „wie beim Glücksspiel" verteilt werden. Ein ideales Einsatzgebiet für Schlüsselkräfte mit Migrationshintergrund sei der Sozialbereich, meint die Psychologin und Erwachsenenbildnerin Liesl Frankl. Dem stünde allerdings das dort herrschende niedrige Lohnniveau entgegen - das Mindesteinkommen von 2358 Euro brutto wird oft nicht erreicht. "Gerade dort, wo die multikulturelle Qualifikation der MigrantInnen eingesetzt werden könnte, können sie nicht arbeiten", kritisiert Frankl. Die Österreicherin scheiterte auch daran, eine fertige Magistra, die ihr Studium in Österreich erfolgreich abgeschlossen hatte, in einem Beratungsprojekt zu beschäftigen: „Die Quoten waren ausgeschöpft".

Stabiler Aufenthaltstitel

Über kurz oder lang werde sich auch Österreich dem europäischen Trend nicht verschließen, auf das so genannte kriterien-orientierte System umzusteigen, glaubt Perchinig: Wer dem Punktesystem entspricht, soll einen langfristigen stabilen Aufenthaltstitel bekommen.
Derzeit sei in der Diskussion allerdings eine gewisse Stagnation festzustellen. Die Einigung bei der Bluecard ist nicht wie vorgesehen zustande gekommen. Manches EU-Mitglied sei etwa unglücklich mit der Mobilität, die man den Zuwanderern ermöglichen will. „Aber ohne Bewegungsfreiheit geht es nicht", ist Perchinig sicher: „Wer einen EDV-Spezialisten nach Österreich lässt, muss ihm auch ermöglichen, dann ein Angebot in Tschechien anzunehmen."

Ohnedies sind wichtige Details für die Bluecard noch nicht ausdiskutiert. Uneinigkeit herrscht etwa bei der Frage, wie das Durchschnittseinkommen definiert wird. Entscheidend ist dieser Punkt auch für JungakademikerInnen, die eher projektorientiert oder mit geringeren Einkommen in das Berufsleben einsteigen. Kein Konsens herrscht daneben in Sachen europaweiter Anerkennung der Ausbildung. „Da haben vor allem die neuen EU-Mitgliedsländer viel einzubringen", sagt Perchinig. Besonders junge Menschen seien gut ausgebildet, sprachlich meist besser als die Österreicher. Heuer sind in der komplexen Angelegenheit kaum starke Impulse zu erwarten, schätzt Perchinig. Auch wegen der Wirtschaftskrise. Auf die Bluecard wird man also noch bis 2010 /2011 warten müssen. Solange wird sich am Status quo nicht allzu viel ändern. Und das bedeutet auch für junge, gut Qualifizierte: Bitte warten. (Regina Bruckner, Maria Sterkl, derStandard.at, 11.1.2008)