Im Anmarsch

Foto: rob

Bad Mitterndorf - Da haben es die hageren Jungens also geschafft, Zigtausende das düstere Gebirgstal hinan zu locken. Felsig und schattig ist es da, der harschig gefrorene Schneeüberzug übel mitgenommen. Die Kolonnenfahrt beginnt unten in Liezen und führt bald an einem langen Omnibusspalier vorrüber. Dann schiebt sich von links bereits ein gelbes Windnetz ins Panorama. Der Kulm.

Pickelharte Kuhwiesen geben ausgedehnte Stellflächen für die Automobile, die aus allen Teilen des Landes auf sie einschwenken. Nicht auszudenken, was aus ihnen ohne die Eisigkeit geworden wäre. Und kalt ist es wahrlich. Zum Basishuschi gesellt sich nach dem Türaufschwingen zusätzlich flugs ein eisiger Hauch von links. Nicht wirklich steif, aber stetig. Die für alle Fälle gedachten Garderobenteilstücke müssen sofort zum Einsatz gebracht werden, das steht unmittelbar fest. Sieben Schichten werden es am Ende sein. Doch man bleibt guter Dinge, schließlich strahlt ja doch die Sonne - wenn auch die Schanze nicht in ihrem Einzugsbereich liegt.

Geschiebe durch die Budel-Allee Richtung Auslauf und die Frage, wie sich das alles auf diesem recht eng bemessenen Gelände ausgehen soll. Das kulinarische Angebot baut auf die Evergreens der Sportplatzverköstigung österreichischer Ausprägung, mit Riesenschaumrollen und Langos als unverrückbaren Eckpfeilern. Warum gerade Anhimmlern Austrainierter ausschließlich Dickmacher zugetraut/zugemutet werden (oder von diesen erwartet werden?) wäre einer eingehenderen Betrachtung wert.

Aber nicht jetzt, denn es beginnt schon der Probedurchgang. Die ersten Wagemutigen streichen über den Abhang, entfernt ist das Aufklatschen von Skiern auf harten Untergrund zu erahnen. Der Ablauf selbst ist im Kern überraschend banal. Ein aufgeregter Sponsoren-Vertreter erzählt über die Gemeinsamkeiten der Sportler und seiner Firma, die genauso bodenständig wie die Springer sein möchte. Eine überraschende Assoziation zu Adlern, gerade als zunehmende Gefühllosigkeit in den Zehen die Oberhand über das Bewusstsein gewinnt.

Das Schuhwerk als Achillesferse, durch die das Polare unaufhaltsam eindringt. Man beginnt zu wippen und endlich selbst zu hopsen. Ein Blick in die Runde zeigt  immer noch fröhliche Gesichter in Rot und Weiß, die Grinser aus fahlen Antlitzen umfängt allerdings schon eine Ahnung von Steifheit. Der Masse der Stimmungsmacher wird eben kein wärmender Sonnenstrahl gegönnt, während sich ein paar für wichtig gehaltene Tribünenbesetzer während der gesamten Veranstaltung in ihrem Licht aalen.

Egal. Der Schanzen-Conferencier lässt etwaig aufkeimendem spalterischen Gedankengut ohnehin keinen Raum. Hier begibt sich Großartiges, daran darf nie Zweifel aufkommen, daran wird unentwegt erinnert. Der Kulm, die Massen, die Show: ein, wenn nicht überhaupt DER Nabel der Welt. Wir sind Event (der Extraklasse). Und es geht auch ordentlich zu, allerdings nur bei den Unsrigen. Da wogt ein Fahnenmehr derart, dass es Mühe macht, den Sprung an sich überhaupt in den Blick zu bekommen. Was aber gar nicht so zentral zu sein scheint, wie Einigkeit in Hoffnung des Besserseins. Die anderen sind wohlgelittene Staffage. Wie zum Beispiel Pawel Karelin "from Rascha", der sich in harmloser Chancenlosigkeit brav steigert. Die Deutschen sind glücklicherweise zu schwach, um ernsthaftere Ressentiments notwendig zu machen.

Zu guter Letzt kulminiert alles in Schlierenzauer, der den hartnäckigen Schweizer doch noch überflügelt. Und ein paar Schwenkende (sch)wanken schon. Ein letztes Mal ausgiebiger Körperkontakt am Flaschenhals zwischen Füllstation und dem Zugang zum Bereich der Wichtigen. Dann bist du draußen. Und immer noch in der Kälte. (rob)