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Hans Leitert (35), Tormanndenker aus Wien.

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London/Wien - Er ist Tormann, und er denkt trotzdem nach. Hans Leitert (35) hat wie das gesamte Betreuerteam vor wenigen Wochen seinen Job als Torwarttrainer von Tottenham Hotspurs verloren. Das macht Weh und Nachdenken. Leitert: "Der Klub ist unter den 15 reichsten der Welt. Sie haben dem Cheftrainer Juande Ramos versprochen, die Abgänge von Robbie Keane und Berbatov adäquat zu ersetzen, und das nicht gehalten. Die Eigentümer wollen hauptsächlich verdienen."

Der Spanier Ramos, der mit Sevilla den UEFA-Cup gewonnen hatte, verpatzte allerdings Tottenhams Saisonstart 2008. Die Eigentümer luden seiner Multikulti-Trainertruppe die Schuld auf und kehrten flugs zum englischen Menü zurück. Der resche Brite Harry Redknapp ("Come On Boys, Let's Run Your Fucking Socks Off!") wurde als Manager eingestellt. Leitert diagnostiziert dies als ein grundsätzliches Problem der Premier League. Leitert: "In Marketing, Finanzierung und TV-Übertragung sind sie Spitze, und die Top Four sind echt Klasse. Aber alle anderen Klubs sind Mittelmaß."

Auch Redknapp verwendet Sportwissenschafter (zwei allein für die Video-Analyse der Gegner), Mediziner und jede Art von Fachleuten. "Die wissen alles über jede Mannschaft. Aber die eigene Spielanlage ist altmodisch. Viel Kampf, extreme Intensität. Aber vorn und hinten große Männer, Ball hoch nach vorne, zurückköpfeln, draufhauen, hinhauen. Basta."

Paul Scharner und Emmanuel Pogatetz spielen bei zwei dieser Hechel-Brutalo-Klubs, Wigan und Middlesbrough. Hohe Besessenheit, geringe Fertigkeiten. Ausgeschlossen, dass sie in Spanien, wo mit ungleich viel mehr taktischer und technischer Raffinesse gespielt wird, oder auch nur in Portugal arbeiten könnten.

Leitert ist einer der seltenen österreichischen Trainer, die im Ausland anerkannt und erfolgreich arbeiten. Als Torwarttrainer bei Panathinaikos und Huelva sowie als Seminarleiter für UEFA-Fortbildungen hat er sich in der Branche einen Namen gemacht. Im U21-Nationalteam Österreichs hat er gespielt, bei der Austria von Franz Wohlfahrt gelernt und vor zehn Jahren wegen einer schweren Handgelenksverletzung die Profikarriere beendet.

Seine Diplomarbeit im Studium der Sportwissenschaften baute er zu einem Buch ("Die Kunst des Torwartspiels - die sieben Prinzipien der Meister") aus. Leitert: "Die Reaktion in Österreich war gleich null, aus Deutschland hingegen kamen viele Anfrage und Anerkennungen, der Hitzfeld hat mir geschrieben." Seine Expertise sollte sich auszahlen. Als ihm der Aufstieg vom U21- zum Nationalteam-Torwarttrainer verweigert wurde, ging er zu Panathinaikos.

Das Dilemma der Engländer illustriert er mit Zahlen. "Im Technischen Report der UEFA zur Champions Leage 2007/08 steht alles: In den vergangenen fünf Jahren haben 130 Engländer gespielt. Aber 153 Griechen. Deren Klubs sind nirgends. Und 280 Spanier, 320 Franzosen, rund 350 Brasilianer."

Die Schotten (Celtic, Rangers), so Leitert, seien weniger reich und dadurch gezwungen, weltoffener und flexibler zu agieren als viele der englischen Klubs. Warum Englands Klubs die Champions League dennoch dominieren? Leitert: "Die Top Four kaufen ausländisches Know-how zu, ihr Spiel hat mit Englands Stil null zu tun."

Bei Liverpool, Chelsea, Arsenal und Manchester United spielen die Besten der Besten, und sie haben auch dank ihrer ausländischen Trainer eine mit Real, Barcelona, Juventus oder Milan vergleichbare Klubkultur geschaffen.

Leitert: "Berbatov hätte bei Manchester City doppelt so viel verdient wie bei ManU. Aber der wollte zu ManU, weil er dort was gewinnen kann und sie dort einen Plan haben. Bei Klubs mit hoher Fluktuation regiert eher die Angst als der Wille zum Erfolg." (Johann Skocek, DER STANDARD Printausgabe 10.01.2009)