Der Mensch, so Franz Schuh in einem medienkritischen Rundumschlag, muss vieles ertragen, aus dem er nicht heraus kommt. Und dazu gehören für einen Österreicher die österreichischen Medien. Ganz unrecht hat er damit nicht. Aber er konnte diese fast schon ewige Wahrheit immerhin in einem Organ niederlegen, das dieses Leiden seit einiger Zeit erträglicher macht. "Datum" ist 50 geworden. Nicht Jahre, sondern Ausgaben. Und in diesen fünfzig Monaten ihres Erscheinens wurde auf den Seiten der Zeit so viel zur Linderung des Schmerzes getan, der sich in der sadomasochistischen Dreiecksbeziehung Politik-Boulevard-Konsument hierzulande zwangsläufig einstellt, dass es im Ausland mehr auffallen musste als daheim. In der Jubiläumsausgabe konnten die Chefs von 2100 zahlenden Abonnenten berichten, was viel weniger ist, als das kühne Unterfangen verdiente, für Österreich, wie es ist, aber doch ansehnlich. Und - fast noch süßerer Lohn - von hymnischen Rezensionen in der "Neuen Zürcher Zeitung" oder der "Financial Times". Die Jury eines internationalen Magazinsymposiums hat "Datum" gar zu einem der "100 of the world's most innovative" gewählt.

Das wäre nur halb so erquickend, könnte man nicht auch vermelden, dass DATUM, wie es so schön heißt, heute auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht bestens aufgestellt ist. Wenn's nur dabei bleibt. Es ist für ein Heft mit diesem Ehrgeiz noch viel weniger selbstverständlich als der schönste Preis. Dass und vor allem wie es dazu kommen konnte, vermeldet man nur ungern, könnte es in manchen betriebswirtschaftlichen Etagen doch leicht als falsches Signal verstanden werden: An die zweihundert Mitarbeiter haben während zweier Jahre ihre Arbeitskraft gratis gestellt.

Begeisterungsfähigkeit und Tatkraft allein können es aber nicht gewesen sein, ein solches Produkt zu etablieren. Dazu muss man sich ein hartes Programm geben: Pfahl im faulen Fleisch heimischer Medienpartnerschaften zu werden, einfach indem man zeigt, dass Qualität möglich ist und dem Menschen zumutbar, neben Mausi im Ekel-Camp oder Hellseherin sollte Verbleib von Flick-Leiche klären! Dann kriegt man die Leute auch zusammen, die Themen ausschöpfen, feine Kolumnen zwischen eleganten Fotostrecken placieren.

Es sind ja nicht immer bewegende Themen, die das Blatt füllen. Viel Neues aus dem Reich der purpurnen Ananas, als das die Präsidentschaftskanzlei in der Dezembernummer vorgestellt wurde, hat der durchschnittlich Interessierte nicht erfahren, aber die Ausführlichkeit der Darstellung hat auf junge Leser zweifellos belehrend gewirkt. Auch die grünen Irrwege, die "Datum" nachgegangen ist, waren von der Tagespresse schon breit ausgetreten, als die Nummer auf den Markt kam. Das wird ausgeglichen durch große Features wie jenes über Linz oder das Wiener Gras, das man nicht über Vetternwirtschaft wachsen ließ.

Das Porträt eines abwechselnd Harmoniesüchtigen bzw. - bedürftigen als Eröffnungsbeitrag der Jubiläumsnummer war auch mehr von journalistischer Harmoniesucht als von Originalität geprägt. Rechtfertigt es noch vier Druckseiten, Christoph Leitl als begeisterten Sozialpartner darzustellen? In seinen Augen sicher. Wenn manche Geschichten gut abgelegen wirken, hängt das natürlich auch mit der monatlichen Erscheinungsweise zusammen. Ein Problem, das etwa Michael Frank entschlossen und mit Delikatesse umgeht, indem er gleich klassische Texte aufleben lässt. Wer unter vierzig kennt heute noch Kurt Tucholsky?

Der Kulturpessimismus, der sich aus dem medienkritischen Schwerpunkt der Jubiläumsnummer von selbst ergab, erreichte mit Franks Auswahl eines gut zwanzig Jahre alten Textes des deutschen Journalisten Claus Heinrich Meyer seinen deprimierenden Höhepunkt. Aus der radikalen Abneigung der kommenden Generation(en?), sich den bisherigen "klassischen Kulturvorrat anzueignen, kelterte Meyer schon 1986 ein nahe bevorstehendes Abreißen der kulturellen Verbindung nach Rückwärts. Und die Welt steht immer noch! Nicht nur das: Heute kämpft "Datum" wacker gegen das Abreißen an. Was hätte Herr Meyer erst gesagt, hätte er in seinem Text gleich drei Satzfehler entdecken müssen? In einer Monatszeitung! Vollends nach hinten abgerissen wäre ihm die kulturelle Verbindung erschienen, wenn Shakespeares Geburtstag kaltblütig ins Jahr 1594 verlegt wird, wie in der Dezembernummer geschehen. Es gibt ein falsches Datum im richtigen. Aber das ist jetzt kleinlich. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 10./11.1.2009)