Internistin Petra Fabritz und Orthopäde Christoph Reisner:
Beide ordinieren als Wahlärzte, beide bieten Leistungen, für die
Kassenärzte nicht bezahlt werden.

Foto: Standard/Matthias Cremer

STANDARD: Wenn Ärzte sich selbstständig machen, sind sie Unternehmer. Sind Mediziner vorbereitet?

Reisner: Im Studium oder der Facharztausbildung sind Mediziner mit Betriebswirtschaft nicht konfrontiert. Erst bei der Eröffnung einer Ordination wird das ein Thema.

STANDARD: Welche Unterstützung gibt es von der Ärztekammer?

Reisner: Wir bieten monatlich Weiterbildung für Ärzte an, zweimal im Jahr gibt es Seminare zum Thema. Da geht es um Selbstverantwortung, Steuern, Finanzierung, Versicherungen, Business-Plan und Pensionsvorsorge.

STANDARD: Ist das genug?

Reisner: Es ist ein fundierter Anfang. Sehr oft ist Honorargestaltung ein Kernthema, da Ärzte oft Probleme haben, für Leistungen Geld zu verlangen.

STANDARD: Sie haben sich als Internistin selbstständig gemacht. Was waren die Hürden?

Fabritz: Entscheidend war die Frage: Was biete ich an? Wem biete ich es an? Und was kann ich dafür verlangen? In der Gründungsphase geht es aber vor allem um wirtschaftliche Fragen. Wie erstelle ich einen Business-Plan? Davon habe ich als Arzt ja keine Ahnung, aber die Bank verlangt das für die Vergabe von Krediten. In diesem Punkt habe ich mich von der Medgroup unterstützen lassen.

Reisner: Viele Entscheidungen hängen vom Fachbereich ab. Ein Internist braucht mehr Geräte und folglich mehr Investitionskapital als ein Psychiater. Auch der Standort ist für den Erfolg entscheidend. Wahlarztpatienten akzeptieren die einzelnen Fachgebiete sehr unterschiedlich. Am schwersten haben es die Allgemeinmediziner.

STANDARD: Was unterscheidet einen Kassenarzt von einem Wahlarzt?

Reisner: Ein Kassenarzt rechnet seine Leistung direkt mit der Kasse ab, für den Patienten entstehen keinerlei Kosten. Marketingmaßnahmen sind kaum nötig, weil die Zahl der Kassenärzte über den Stellenplan geregelt wird und daher eher knapp gehalten ist. Wahlärzte können ihre Leistung über das Honorar kalkulieren. Der große Vorteil ist, dass sie sich mehr Zeit für die Patienten nehmen können. Zeit, die im Kassensystem nicht adäquat honoriert wird. Dabei ist das ärztliche Gespräch besonders wichtig.

STANDARD: Medgroup ist ein Unternehmen, das Ärzte bei der Selbstständigkeit unterstützt. Wie?

Fabritz: Die Idee für die Gründung der Medgroup entstand aus meiner eigenen Situation. Die Praxis in Klosterneuburg ist die erste Modellpraxis, die sich in dieser Art - das ist der Plan - in den kommenden Jahren in ganz Österreich etablieren soll. Ziel ist, Ärzte in betriebswirtschaftlichen Belangen bei der Gründung und Führung von Ordinationen zu unterstützen, sich an Investitionen zu beteiligen und damit Standards zu setzen. Wenn ein Wiener Medgroup-Patient in Vorarlberg krank wird, soll er sich auch dort auf die Medgroup verlassen können. Die Medgroup übernimmt auch das Marketing, damit der Arzt den Kopf frei für seine Patienten hat, darum geht es.

STANDARD: Was bekommt die Medgroup dafür?

Fabritz: Im Vorfeld vereinbart der Arzt mit der Medgroup ein monatliches Fixum, das auch im Business-Plan verankert ist. Die Medgroup ist nicht prozentuell am Umsatz beteiligt. Je tüchtiger ich bin, umso besser ist es für mich. In meinen Ordinationsspesen ist die Medgroup ein Posten, der Aufwände wie etwa Miete, Marketing, Call-Center und ein Terminvereinbarungssystem abdeckt. Auch Finanzmanagement und Qualitätssicherung sind inkludiert. Als selbstständiger Arzt könnte ich mir das niemals leisten.

STANDARD: Wie steht die Ärztekammer zu dieser Art von privatwirtschaftlichen Netzwerkplänen?

Reisner: Prinzipiell positiv, denn es ist eine Form der betriebswirtschaftlichen Unterstützung, die Ärzte gerade in der Anfangsphase brauchen. Langfristig müssen sich solche Modelle aber erst einmal bewähren. Viele haben sich diese Art der Beratung selbst organisiert, etwa über auf Ärzte spezialisierte Steuerberater. Klar ist aber, dass es vor einer Praxiseröffnung eine genaue Strategie geben muss.

STANDARD: Ist die Medgroup im niedergelassenen Bereich so etwas wie das Privatspital im Krankenhauskontext?

Fabritz: Nein, denn wir bieten keine elitäre Leistung an. Die Medgroup soll sich jeder, dem Gesundheit etwas wert ist, leisten können. Das ist die Philosophie, die übrigens auch mit einer im Dezember veröffentlichten Studie von Roland Berger zum Gesundheitssystem der Zukunft übereinstimmt. Sie besagt, dass Gesundheitsbewusstsein unabhängig von den Einkommensverhältnissen ist.

Reisner: Es gibt ja schon immer die Zweiklassengesellschaft im Gesundheitsbereich. Je restriktiver die Krankenkasse mit ihren Leistungen wird, umso größer wird die Kluft zwischen Kassen- und Wahlärzten werden. Politiker, die das nicht verstehen, leiden an Realitätsverweigerung. Es geht um den Faktor Zeit. Als Orthopäde kann ich einem Patienten sagen: "Sie haben ein abgenütztes Hüftgelenk und brauchen eine Prothese." Das dauert zehn Sekunden inklusive Überweisung. Aber natürlich gäbe es viel mehr zu besprechen: Anatomie, Operation, Rehab - dafür brauche ich 20 Minuten, die die Kasse nicht zahlt.

STANDARD: Ist ein Wahlarzt teuer?

Reisner: Die Krankenkasse zahlt im Regelfall 80 Prozent des Kassentarifes, nicht des Arzthonorars, da gibt es immer wieder Missverständnisse. Relevant für die Rückerstattung ist der Leistungskatalog der Krankenkasse. Ein Beispiel: Eine "Ordination" ist in Niederösterreich sieben Euro wert. Sollte sie zusammen mit einer "therapeutischen Aussprache" erfolgt sein, werden zehn Euro refundiert.

STANDARD: Wie hoch ist das Ärztehonorar?

Reisner: Jeder Wahlarzt kalkuliert seine Honorare selbst und orientiert sich an der Kaufkraft der Bevölkerung. Eine Erstordination bei einem Gynäkologen in Mödling kostet etwa 110 bis 130 Euro, in Gmünd 60 bis 70 Euro. Je nach Behandlung bzw. der kassenärztlichen Rückerstattung ergeben sich die Kosten für Patienten, über die im individuellen Fall der Wahlarzt Auskunft gibt. Patienten haben oft Scheu, beim Arzt über Tarife zu sprechen, das ist aber wichtig.

Fabritz: Wahlärzte bieten Leistungen an, die Patienten bei Kassenärzten nicht bekommen. In meiner Ordination ist es Gewichtsmanagement, denn viele Menschen wollen abnehmen, schaffen es aber nicht. Wir haben ein Programm entwickelt, kooperieren mit Ernährungsberatern und Sportwissenschaftern, entwickeln eine Strategie zu einer Lebensumstellung und begleiten ihn bei der Umsetzung. Prävention ist ebenfalls ein Thema, das in Kassenpraxen viel zu kurz kommt.

Reisner: Ich kann ihnen versichern, dass in meiner Wahlarztpraxis die Patienten aus allen gesellschaftlichen Schichten kommen: Vom Unternehmer bis zum Mindestpensionisten. Die Frage der Kostenrückerstattung wird überwertet. Die Menschen gehen zum Wahlarzt, weil sie eine Leistung bekommen, die es im öffentlichen Gesundheitssystem nicht gibt. Das heißt aber nicht, dass unser System schlecht ist. Wichtig ist die Wahlmöglichkeit.

Fabritz: Es ist eine Frage der Wertigkeit. Ein Friseurbesuch ist Menschen ja auch was wert, warum nicht ebenso ärztliche Beratung?

STANDARD: Wird sich die Medizin im niedergelassenen Bereich ändern?

Reisner: Kooperationsformen werden immer wichtiger werden. Ärzte sind leider oft immer noch Einzelkämpfer, Netzwerke aufbauen ist das Gebot der Stunde.

Fabritz: Und Ressourcen besser nützen. Kein Arzt ist 24 Stunden in seiner Ordination, gemeinsam lassen sich großzügigere Öffnungszeiten verwirklichen. Auch abends: Denn viele Berufstätige haben erst abends für einen Arztbesuch Zeit. Da können wir uns danach richten. (Karin Pollack, DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2009)