Die Akte "Aufruhr" ist geschlossen - jedenfalls für Präsidentin Barbara Prammer (re.), die Martin Grafs "Distanzierung" akzeptiert

Foto: Cremer

Jedes Wort musste sitzen. Es musste eine Erklärung werden, die alles erklärt und absolut keinen Erklärungsspielraum offenlässt. Martin Graf (FPÖ) wusste das. Immerhin war es schon die zweite hochoffizielle Erklärung gegen rechts, die dem Dritten Nationalratspräsidenten abverlangt wurde. Zuletzt Donnerstagabend nach einer kurzfristig anberaumten "Aussprache" zwischen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), dem Zweiten Präsidenten Fritz Neugebauer (ÖVP) und Graf Donnerstagabend im Parlament. Diese verließ Graf mit der Auflage, sich am Freitag schriftlich vom deutschen "Aufruhr"-Verlag zu distanzieren.
"Würde selbst nicht kaufen"

Pünktlich um 13.10 Uhr lieferte der freiheitliche "Dritte" an der Parlamentsspitze sein Auftragswerk über die Austria Presse Agentur ab. Titel: "Aufruhr-Versand ist Naziversand und abzulehnen." Untertitel: "Kannte diesen Versand bis zu dessen Veröffentlichung durch NRAbg. Öllinger nicht und würde selbst von dort keine Dinge kaufen" (siehe Text rechts).

Graf "bekräftigte" in dem knapp einseitigen Schreiben seine "Distanzierung vom Aufruhr-Versand", der ihm unbekannt gewesen sei. Nach Sichtung der Homepage habe er "festgestellt, dass dort eindeutig auch Nazipropaganda zu beziehen ist". Von diesem "Nazischund und -dreck" distanziere er sich "ausdrücklich", schreibt Graf.

Zugleich appellierte der freiheitliche Präsident an "die Medien und die politischen Mitbewerber, jungen, fleißigen, unbescholtenen Menschen mit aufrechter freiheitlich demokratischer Gesinnung eine Chance zu geben und diese nicht aus parteipolitischem Kalkül stellvertretend für die Ablehnung politisch Andersdenkender zum Zwecke der parteipolitischen Agitation ob deren Handlungen als Minderjährige für deren ganzes Leben als vogelfrei zu brandmarken".

Im Sich-Erklären und Sich-Distanzieren von rechtsextremen Positionen hat der FPÖ-Abgeordnete schon Erfahrung. Vor seiner Wahl ins Parlamentspräsidium musste er im Oktober 2008 schon einmal eine Ideologie-Erklärung abgeben. Damals waren es nicht seine Mitarbeiter, die ihn in politische Bedrängnis brachten, sondern Graf höchstselbst. Der "Alte Herr" der als rechtsextrem eingestuften Burschenschaft Olympia verlas damals minutenlang ein Bekenntnis zur Republik Österreich, zum Rechtsstaat und zur Verfassung. Aus dem olympischen "Lebensbund" könne und wolle er nicht austreten. Er stehe wie die FPÖ "auf dem Boden der Werte der Revolution von 1848", sagte Graf.

Der Bundespräsident beurteilt die ganze Sache etwas strenger. Heinz Fischer übt im Standard-Interview heftige Kritik an Graf: "Auch der geringste Rest nationalsozialistischer Gesinnung hat in Österreich nichts verloren." Zu Grafs Mitarbeitern sagt er: "Es gibt manchmal Graubereiche, die nicht bis ins Detail geregelt sind. Aber eines muss klar sein: Beim Gedankengut der NS-Zeit genügt es nicht, nur zu sagen, das darf nie wieder passieren. Das ist ja selbstverständlich. Man darf da nicht einmal anstreifen."

Gegen rechtsextreme Umtriebe müsse man sich "energisch politisch zur Wehr setzen". Für Fischer war nicht erwartbar, dass sich Graf Mitarbeiter, die so punziert sind, in sein Büro holen würde: "Man darf doch erwarten, dass jemand, der in das Präsidium des Nationalrats gewählt wird, auch ungeschriebene Spielregeln beachtet."
"Kein Betriebsunfall"

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens, Ariel Muzicant, kritisiert den offiziellen Umgang mit der Causa Graf. Im Standard-Interview nennt er das "Verhalten von SPÖ und ÖVP in der Angelegenheit zutiefst enttäuschend". Angesichts der neuen Vorwürfe gegen Graf und seine Mitarbeiter sei dessen Wahl "jedenfalls nicht etwas, das man als Betriebsunfall abtun kann. In dieser Frage wäre einfach mehr Haltung gefragt gewesen."

Für das Parlamentspräsidium zeigte Graf genug Haltung. Man registrierte dessen Aussendung mit Wohlwollen. Für Prammer ist "die Sache damit abgeschlossen." Neugebauer hat den Text "gelesen, zur Kenntnis genommen, abgelegt".

Die FPÖ dürfte das parlamentspräsidiale Einsehen mit Freude registriert haben, hatte Generalsekretär Harald Vilimsky doch schon zu Mittag gemeint, die leidige Debatte sei ohnehin nur von Prammer "am Kochen gehalten" worden.

Einzig "Aufdecker" Karl Öllinger, der die blauen Besteller und deren braune Bestelllisten geoutet hat, reagierte empört. Grafs Distanzierung von etwas, mit dem er nach eigenen Angaben ohnehin nichts zu tun habe, sei "grotesk". (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD-Printausgabe, 10./11. Jänner 2009)