Musik begleitet Menschen lebenslänglich. Von den Walgesängen bei der Geburt bis zur Blasmusik am Ende des Wegs, am Friedhof. Dazwischen herrscht im modernen Leben ebenfalls Zwangsbeschallung. Kaum ein öffentlicher oder halböffentlicher Ort, der nicht auf Musik - oder was sich als solche bezeichnet - baut, um damit auf perfide Art Interessen zu pflegen. Musik soll die Verweildauer und damit die Konsumbereitschaft in Kaufhäusern erhöhen, Musik soll einlullen, sie soll Kritikbereitschaft mit schmeichelnden Tönen untergraben und vieles andere Böse mehr.

Linz09 hat sich zur Bewusstmachung dieser omnipräsenten Problematik das Projekt "Hörstadt" ausgedacht. Es will auf den Wildwuchs von akustischen Reizen bis hin zum akustischen Sondermüll in all seiner Penetranz hinweisen und eine bewusste Opposition dagegen bilden: "Hörstadt versteht sich als Anstiftung zum Hören, verbunden mit dem Aufruf zur bewussten und ideenreichen Gestaltung der hörbaren Umwelt und zur Zivilcourage im Widerstand gegen Zwangsbeschallung" , heißt es kämpferisch. Man will die Selbstverständlichkeit der Berieselung an, wie es heißt, "akustischen Tatorten" nicht nur infrage stellen, sondern auch Mut zur offensiven Gegenforderung schaffen.

Um die Problematik von möglichst vielen Gesichtspunkten aus zu beleuchten, werden ganzjährig Aktionen zum bewussten Hören geboten. Von Hörspaziergängen bis zum kostenlosen Hörtest, vom Ruhepol im Centralkino bis zu öffentlichen Diskussionen, von der Gestaltung neuer Klangumgebungen an verlärmten Orten bis zum völligen Abdrehen jeglicher Musikquellen reicht die Auseinandersetzung mit dem Umgang mit der Zwangsbeschallung.

Ob sich letztgenanntes Beispiel verwirklichen lässt, bleibt (leider) fraglich. Jedenfalls endet diese breit getragene Kampagne am 21. November, das ist der internationale No Music Day. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.1.2009)