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Vehementer Verfechter musikalischer Überzeugungen und jener Komponisten, die ihm am Herzen liegen: Nikolaus Harnoncourt.

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Er ist sozusagen ein musikalischer Überzeugungstäter, der sich eher durch innere Notwendigkeit leiten lässt als durch gemeinhin anerkannte Normen, weniger durch die Tradition des "So hammas immer schon g'macht" als durch selbst empfundene - und durch ungeheures Wissen untermauerte - Überzeugungen. Eine Ausstellung in der Universität Mozarteum dokumentierte es letztes Jahr, wie sich Nikolaus Harnoncourt entgegen zahlloser Widerstände nicht von seinem Glauben an interpretatorische Notwendigkeiten abbringen ließ und damit erst allmählich zu breiterer Anerkennung fand.

Mit ähnlicher Vehemenz und der Kraft seiner Begeisterung hat sich der Dirigent auch stets für Komponisten und Werke eingesetzt, die ihm am Herzen liegen, sei es Robert Schumanns Genoveva, Mozarts Lucio Silla, seien es die Opern Monteverdis oder die Werke eines Komponisten, zu dem er seit jeher ein besonderes Verhältnis hatte: Joseph Haydn.

Schon eine frühe Langspielplatte mit dem Concentus Musicus Wien, die um 1960 entstand, galt Werken Haydns; seither hat Harnoncourt etliche seiner Symphonien mit dem Concentus und dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam eingespielt; in Harnoncourts Diskographie finden sich außerdem beispielsweise das Stabat mater, die Schöpfungsmesse oder Die Schöpfung.

Haydn war es auch, mit dessen Werken Harnoncourt seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Chamber Orchestra of Europe bei der styriarte Graz begann; ebendort setzte er sich für Haydns Oper Orlando Paladino ein, die er unlängst auch im Theater an der Wien mit unnachahmlicher Lebendigkeit erfüllte. Und bei dieser wie bei anderer Gelegenheit demonstrierte der Dirigent seine Überzeugung von den Besonderheiten in Haydns Musik. Diese liegen, wie Harnoncourt immer wieder betont hat, vor allem im beispiellos breiten Spektrum von Haydns Ausdrucksmitteln für Emotionen.

Einmal meinte der Dirigent, seine Einsamkeit habe Haydn wohl dabei geholfen, originell zu werden: Er "konnte experimentieren, ohne dass ihm sofort jemand gesagt hätte, das sei ein Blödsinn."

Gegenüber dem Standard formulierte Harnoncourt, Haydn verlange, etwa in seinen Symphonien, zuweilen "eine wahnsinnige Bildaufnahme durch die Musik, was eine enorme Imaginationsleistung bedeutet." Dementsprechend betonen seine Interpretationen die ungewohnten Farben von Haydns Musik, die ungezügelte Fantasie, die zahllosen Effekte der Instrumente, die manchmal geradezu experimentellen Charakter haben. Mit dem Klischee des gemütlichen "Papa Haydn" hat dies naturgemäß nicht mehr allzu viel zu tun; und als Erkenntnis des Haydn-Jahres könnte vielleicht etwas von Harnoncourts Haydn-Bild im Bewusstsein bleiben: jenem eines Avantgardisten, der stets am Puls seiner Zeit war. (daen / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.1.2009)