Mit dramatischen Appellen versuchen dieser Tage Menschenrechts- und Flüchtlingshilfsorganisationen, die Öffentlichkeit auf ein - wie sie meinen - drohendes weiteres Verhängnis im Ausländerrecht aufmerksam zu machen. Angesichts von Maria Fekters Bleiberechtsvorschlag ist von "Anlass zu tiefer Besorgnis", ja von "menschenrechtlichem Dammbruch" die Rede.

Doch selbst wenn die gewählte Ausdrucksweise noch floskelhafter wäre: Der Inhalt der Kritik ist höchst berechtigt. Sollte es Fekter gelingen, diese Novelle samt Patenschaften und rückwirkend aberkennbarer Aufenthaltsbewilligungen durchzusetzen, hat Österreich die Chance, in Fragen des humanitären Aufenthalts Europareife zu beweisen, für eine lange Reihe von Jahren verspielt. Bis zu einer weiteren Aufhebung durch ein Höchstgericht, weil bei mehreren Punkten im Entwurf Gleichheitswidrigkeitsverdacht besteht.

Das wiederum sollte nicht nur juristisch Spitzfindige interessieren. Denn in einem De-facto-Einwanderungsland wie Österreich kommt der Frage, nach welchen Regeln Aufenthaltsbewilligungen erteilt werden, große Bedeutung für die gesellschaftliche Atmosphäre zu: Und zwar gerade in Konfliktfällen wie jenen rund 30.000, für die ein Bleiberecht eine Option wäre. Werden diese Regeln als einigermaßen fair empfunden, stärkt dies tendenziell das Vertrauen aller Neuen im Land in die Kompetenz der Behörden. Während im umgekehrten Fall die Tendenz gesät wird, sich unauffällig zurückzuziehen - etwa in die gefürchteten Paralellwelten. (Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe, 9.1.2009)