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Schaffte nach anfangs heftigem Widerstand der demokratischen Fraktion den Sprung in den Senat: Roland Burris.

Foto: AP/Paul Beaty

Aus Verbündeten wurden Feinde: Bei der Bestellung des Nachfolgers von Barack Obama im US-Senat gelang Rod Blagojevich, dem korruptionsverdächtigen Gouverneur von Illinois, ein Coup gegen den künftigen Präsidenten.

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Der US-Senat ist eine Macht. Wichtige Verträge treten nur mit seinem Segen in Kraft. Wichtige Minister können ihr Amt nur antreten, wenn er grünes Licht gibt. Grauhaarige Herren geben den Ton an in der kleineren, aber feineren Parlamentskammer. Veteranen wie Edward Kennedy und John McCain liefern einander hochkarätige Debatten. Manchmal macht sich der Senat aber auch nur zum Gespött.

Zum Beispiel jetzt, durch ein Schauspiel, das sie in Washington die Winterkomödie nennen. Drei Hauptdarsteller hat dieses Spektakel. Vor den Kulissen spielt Roland Burris, ein 71-jähriger Jurist aus Chicago. Ein Mann, der sich meist vergebens um höhere Ämter bemühte. Ewiger Verlierer, zugleich sympathischer Außenseiter.

Hinter den Kulissen ziehen zwei Männer die Fäden, die einmal Zweckverbündete waren, nun aber erbitterte Gegner sind. Der eine ist Barack Obama, der Junior-Senator von Illinois, der ersetzt werden muss, weil er US-Präsident wird. Der andere ist Rod Blagojevich alias Blago, korruptionsverdächtiger Gouverneur mit Macho-Allüren, der versuchte, Obamas frei werdenden Sitz an den Meistbietenden zu verkaufen.

Genialer Schachzug

Mit Burris berief Blago einen Mann, der zur alten afroamerikanischen Garde Chicagos gehört, zu den verdienten Kämpfern um den Bürgerrechtler Jesse Jackson, die den Überflieger Obama in seiner mühelosen Eleganz lange mit Skepsis beäugten. Burris, kann man sagen, war Blagos letzte Rache. Aber er ist auch ein Politiker ohne Affären, zudem wäre er unter den 100 Senatoren der einzige Schwarze. Es gibt Stimmen, die von einem genialen Schachzug des Skandal-Gouverneurs sprechen.

Jedenfalls hat Burris die Demokraten zu einer peinlichen Kehrtwende gezwungen. "Niemand, der von Blagojevich ernannt wurde, kann ein wirksamer Repräsentant der Menschen von Illinois sein" , urteilte die Fraktion der Partei, die den Newcomer förmlich aufnehmen muss. Kein Geringerer als Obama, hieß es, habe energisch auf ein Veto gedrungen.

In Burris aber weckte die Abfuhr den Kampfgeist. Am Dienstag marschierte er im strömenden Regen zum Kapitol, um auf sein Mandat zu pochen. Es waren chaotische Szenen, ein Gedränge, in dem sich Regenschirme ineinander verhakten, Handys zu Boden fielen, Herren in feinem Zwirn wie Bierkutscher fluchten. Drinnen in den heiligen Hallen wies man den alten Mann ab, wie ein begossener Pudel musste er den Rückzug antreten.

Am Mittwoch folgte das Kontrastprogramm. Bei Burris' zweitem Anlauf ließ Harry Reid, der Fraktionschef der Demokraten, dem Hartnäckigen den roten Teppich ausrollen. "Ein unglaublich netter Mensch" , lobte er. "Er ist sehr stolz auf seine Familie. Er hat zwei Diplome und zwei Rechtsabschlüsse." Am Donnerstag waren nur noch ein paar Formalien zu klären, "eine leichte Hürde" , wie Reid lächelnd erklärte.

Die Spatzen pfeifen von den Dächern, was den Ausschlag gab: Barack Obama zog sein Veto zurück, auch wenn er innerlich kochen mag über Blagojevichs letzte Revanche. Hauptsache, die Winterkomödie findet ein schnelles Ende.  (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 9.1.2009)