Der Österreicher Gerhard Zeiler managt Europas größte Fernsehholding RTL Group

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Alles oder nichts, so beschrieb ihn sein Zwillingsbruder: "Gerhard ist eher bereit, ins kalte Wasser zu springen." Man sieht, wohin das führt.

Helmut Zeiler lehrt Mathematik und Leibesübungen an einer AHS. Gerhard Zeiler (47) wurde soeben neuer Chef der größten Fernsehholding Europas. Die heißt RTL Group, setzt gut vier Milliarden Euro um und macht fette Gewinne.

Zur börsennotierten Bertelsmann-Tochter gehören so unbekannte Sender wie Vox, n-tv und RTL, Teile von RTL 2 und Super RTL in Deutschland, M6 in Frankreich oder Channel Five in Großbritannien. 23 Fernseh- und 22 Radiostationen in acht europäischen Staaten. Sie notiert an der Londoner Börse, hat ihre Zentrale aber in Luxemburg. London hätte wohl Zeilers schon in Wien an Heimweh leidende Frau Amanda bevorzugt, mit der er die sechsjährige Tochter Nina hat.

So beharrlich Zeiler an seinem Mittelscheitel festhält, so machte er seinen Weg nach Köln und Luxemburg.

Ausgangspunkt: Ottakring, österreichische Sozialdemokratie. Sozialistische Jugend, Psychologie, Soziologie und Pädagogik, Bildungsinstitut des ÖGB, Parteipressedienst SK. 1979 wird Zeiler Pressesprecher von Fred Sinowatz, der erst Unterrichtsminister, dann Kanzler war.

Worum es im ORF geht, hat Zeiler längst als Kurator erfahren. So einfach wäre das heute nicht mehr - die Aufsichtsräte des ORF heißen nun Stiftungsräte, für sie gilt eine recht strenge Politikerklausel. 1986 schafft die Sozialdemokratie den bürgerlichen Langzeitgeneral Gerd Bacher von der und Teddy Podgorski an die Spitze des Küniglbergs. Zeiler wird Generalsekretär und eigentlicher Generalintendant.

Über München führt der Weg, bis er sich auch so nennen darf: Herbert Kloiber, dem heute auch der Wiener Privatsender ATV gehört, holt ihn als Chef des privaten Tele 5 an die Isar; bald darauf managt er für Kloiber RTL 2. Privatfernsehen, endlich das Rendez-vous mit Zeilers eigentlicher Bestimmung.

1994 macht ihn die SPÖ in zermürbend monatelangem Abstimmungsmarathon zum ORF-Generalintendanten. Taub für öffentlich-rechtliche Grenzen und desinteressiert an politischem Geplänkel, zeigt er feinste Sensibilität für den Gout des Massenpublikums, hart auf Quotenkurs. Nach einer Taxifahrt mit Zeiler kennen Sie die Marktanteile der unbekanntesten US-Serie und die Besucherzahlen des jüngsten Hollywoodfilms.

Entsprechend entnervt, von VP-Angriffen beleidigt, verabschiedet er sich 1998 vom ORF. Wird RTL-Chef, wo er seinem Laster frönen kann. Dem Publikum geben, was es mag. Samstag etwa Deutschland seinen "Superstar".

Ironie der TV-Geschichte ist, dass ihm da der inzwischen schwarze ORF schon abkupfernd zuvorkam. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 6.3.2003)