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Viele Bauarbeiter haben dank Konjunkturpaket der Regierung auch in der Krise Arbeit. Viele Frauen-Jobs hängen aber in der Luft.

Foto: Reuters/JUAN CARLOS ULATE

Wien - Konjunkturpakete haben gerade Hochkonjunktur. Die Regierungen, auch die österreichische, stellen viele Millionen Euro bereit für Sanierung und Renovierung von Straßen, Bahnen und Bauten, um die Wirtschaft am Laufen zu halten und den Arbeitsmarkt zu stützen. - Welchen Arbeitsmarkt?
Vorrangig den männlichen, kritisieren Wirtschaftsforscherinnen. "Es hat eigentlich niemand an die Frauen gedacht" , sagt Gudrun Biffl vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Standard-Gespräch. "Die offizielle Arbeitslosigkeit ist die der Männer. Die Frauen-Jobs haben wir sowieso schon verloren. Für sie müsste man etwas tun."

"Einfallslose" Politik

Zwar hat Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SP) für 20.000 Arbeitslose eine "regionalspezifische Qualifizierung" zu Fachkräften angekündigt. Und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SP) will laut Österreich 3000 arbeitslose Frauen zu Facharbeiterinnen qualifizieren. - Die Expertinnen aber fordern einen breiteren Ansatz.

Gabriele Michalitsch, Politologin und Volkswirtin an der WU Wien, kritisiert die bisherigen Konjunkturvorschläge als "ganz traditionelle, einfallslose Konjunkturpolitik. Warum wird beispielsweise jetzt nichts im Bereich Altenpflege gemacht, wo der Bedarf sehr groß ist?", sagt die Vorsitzende der Expertinnengruppe des Europarates zu "Gender Budgeting", der geschlechtsdifferenzierten Analyse der öffentlichen Haushalte.

Auch Wifo-Expertin Biffl nennt den Aufbau einer regionalen Altenpflegestruktur als einen zentralen Bestandteil eines frauenspezifischen Konjunkturpakets. Als die "zwei großen Probleme, die wir jetzt haben" , identifiziert sie die "Verknappung von Fachkräften" und das "Überangebot von unqualifizierten Arbeitskräften, häufig mit Migrationshintergrund".

Die Frauen seien in einer besonders problematischen Lage, da die Frauenbeschäftigung in Österreich seit 1995 stagniert - trotz steigender Bildungsbeteiligung der Frauen. Zudem sind viele weibliche Beschäftigte von Vollzeit auf Teilzeit umgestiegen - zum Teil auch quasi genötigt durch die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld, kritisiert die Wifo-Expertin.

"Hochqualifizierte Frauen wurden vom Arbeitsmarkt gedrängt, sie kommen später zurück und können, wenn sie einmal rausgekippt wurden, nicht in die Karriereschiene einsteigen. Das wird zwangsläufig einen Langzeiteffekt haben" , warnt Biffl. Dazu komme eine europaweit einzigartige "Stigmatisierung der Mütter. Aber Frauen qualifizieren sich nun mal, also muss etwas für sie getan werden."

Das Problem Teilzeit betont auch WU-Ökonomin Michalitsch: "Ein Konjunkturpaket ist ein einmaliges Maßnahmenbündel, aber im Hinblick auf Gleichstellung sicher nicht ausreichend." Es brauche "strukturelle Maßnahmen, die die atypische Beschäftigung, die für die Frauen große Probleme gebracht hat, betreffen" . In Kombination mit der "Zuweisung von unbezahlter Arbeit im privaten Bereich" ergebe das zwei zentrale Mechanismen, die "für unverändert massive Einkommensdifferenzen zwischen Frauen und Männern seit 30 Jahren verantwortlich sind" .
Erst jüngst belegte der Einkommensbericht des Rechnungshofes erneut, dass Frauen im Durchschnitt noch immer um 22 Prozent weniger als Männer verdienen. Und die Schere geht auf statt zu.

"Weil die Politik fast nichts dagegen tut" , kritisiert Michalitsch. Sie treibe die Deregulierung des Arbeitsmarkts mit der "Reservearmee Frauen" voran. Solange aber öffentliche Pflege und Kinderbetreuung nicht ausgebaut würden, werde sich an den Einkommensdifferenzen nichts ändern.

Wie also könnte den Frauen ein Konjunkturimpuls gegeben werden? Wifo-Forscherin Gudrun Biffl predigt schon lange ein "regionales Entwicklungskonzept für lernende Regionen" , das die großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen (Kinder- und Altenbetreuung) mit emanzipatorischer Teilhabe von Frauen und Regionalpolitik verbindet. "Alle sagen immer, das ist Frauenpolitik. In Wirklichkeit ist es Gesellschaftspolitik."

Schöne neue Welt

Der Bund müsste jetzt "den Ländern Geld anbieten, damit diese kleinräumige Pflege- und Betreuungsstrukturen aufbauen" . Durch "die professionalisierte haushaltsnahe Versorgung mit Dienstleistungen" könnte man gleich mehrere Probleme entschärfen: In den Regionen blieben Arbeitsplätze erhalten, neue würden entstehen, die Frauen könnten ihren Beruf ausüben und wie die Männer auspendeln, die Abwanderung in die Städte würde eingebremst, so Biffl: "Absiedelung aus dem ländlichen Raum und Urbanisierung sind ja auch mit Kosten verbunden."

Bei Infrastruktur-Investitionen denkt Biffl an Technik für "virtuelle Pflege" (Hilfe per Knopfdruck). "Die Technisierung von Haushalten erspart mehr Pflegeheime. Das ist die schöne neue Welt." (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 5.1.2009)