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Einsam vor dem Weißen Haus: Die scheidende US-Außenministerin Condoleezza Rice bei einer Gaza-Erklärung vor wenigen Tagen. Jetzt soll sie noch einmal auf Mission in den Nahen Osten fahren.

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Barack Obama hält sich bedeckt. Auch nach dem israelischen Einmarsch im Gazastreifen äußert sich der gewählte US-Präsident mit keiner Silbe zu dem eskalierenden Konflikt. Der Zuständige, lautet seine Standardformel, sei immer noch sein Amtsvorgänger Präsident George W. Bush.

An jedem Wochenende hält Obama, übers Radio und zeitgemäßer via YouTube eine kurze Ansprache. Wer diesmal ein paar klare Worte zum Brandherd Nahost erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Thema war einzig und allein die Wirtschaftskrise, der Krieg in Gaza spielte keine Rolle. Er verfolge die Entwicklung sehr genau, ließ Obama eine Sprecherin erklären. "Aber es gibt zu jeder Zeit nur einen Präsidenten, und wir haben die Absicht, dies zu respektieren."

Das Machtvakuum der Übergangsphase, es lässt den mit so vielen Vorschusslorbeeren bedachten Newcomer in der Rolle des passiven Beobachters verharren. Allerdings ist es ein Vakuum mit bizarren Zügen. Während der neue Mann die Wirtschaftspolitik, für ihn die absolute Priorität, längst in die eigenen Hände genommen hat, stellt er sich in Sachen Weltpolitik an die Seitenlinie. Beharrlich wiederholt Obama den Satz, dass er erst ab 20. Januar, zwölf Uhr mittags, im Oval Office regiert. Bush wiederum belässt es bei einem Kurs, wie er ihn mit Blick auf den ergebnislosen Friedensprozess im Nahen Osten acht Jahre lang fuhr. Er lässt die Dinge treiben.

Ohne Einzelheiten zu nennen, sprach der scheidende Staatschef von einer diplomatischen Mission seiner Außenministerin Condoleezza Rice. Zugleich stellte er klar, dass er vorläufig keinen Druck auf Israel ausüben wird, um es zu einem Stopp des Vormarschs zu drängen. "Noch ein einseitiger Waffenstillstand, der zu Raketenangriffen auf Israel führt, ist inakzeptabel. Und bloße Versprechen der Hamas werden es diesmal nicht tun."

Im UN-Sicherheitsrat ließ Bush in der Nacht zum Sonntag eine Erklärung blockieren, die zu einer sofortigen Waffenruhe aufrufen sollte.
In markantem Kontrast zur Abwartehaltung des Weißen Hauses steht die Nahostdebatte, wie sie amerikanische Strategen von Tag zu Tag immer intensiver führen. Martin Indyk etwa, unter Bill Clinton Botschafter in Israel, bringt den Plan einer Gaza-Friedenstruppe ins Gespräch. Sie sollte aus Soldaten der Türkei und arabischer Armeen bestehen. Man könnte sie so lange in dem dicht besiedelten Küstenstreifen stationieren, bis Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas an Stelle der Hamas die Kontrolle über Gaza übernimmt. In der Folge, malt sich der Ex-Diplomat aus, würde Abbas einen Friedensvertrag mit Israel unterschreiben. Später kämen auch die zaudernden Syrer an den Verhandlungstisch, was wiederum die Hardliner im Iran isolieren würde. "Es ist ein ehrgeiziges Szenario" , gibt Indyk in der New York Times zu. Und bevor sich die Lage bessere, drohe sie sich dramatisch zu verschlechtern.

Skeptiker sehen in der israelischen Offensive eher Parallelen zur Libanon-Invasion des Jahres 1982. Damals wurde zwar Yassir Arafats PLO aus Beirut vertrieben, im Feuer des Krieges entstand jedoch ein neuer Feind, der dem jüdischen Staat bis heute das Leben schwer macht. Die Hisbollah. Ein mit zu vielen Opfern erkaufter Sieg über die Hamas, warnen die Nachdenklichen, wäre ein Pyrrhussieg, genau wie 1982. Ohne Aussicht auf eine diplomatische Lösung sei die Bodenoffensive höchst riskant, schreibt auch die Washington Post. Selbst wenn Israel das Gros der Hamas-Kämpfer in die Knie zwinge, den Raketenbeschuss könne es nicht unterbinden. Im nächsten Schritt wäre es gezwungen, Gaza wieder zu okkupieren. "Und das wäre ein derber Schlag gegen seine strategischen Interessen - und gegen die der USA."

Der kommende Präsident Barack Obama hat für die Bewältigung der Wirtschaftskrise bereits beide Ärmel aufge-krempelt, in Nahostfragen allerdings überlässt er weiterhin George W. Bush das Feld. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD Printausgabe, 5. Jänner 2009)