Grüne Gebäudelungen für die richtige Luftfeuchtigkeit: Statt einer technischen Luftbefeuchtung sorgen 500 Stück einer speziellen Zyperngras-Art fürs richtige Klima. Außerdem: ein ansehnlicher Ersatz für den Büroficus.

Foto: Hertha Hurnaus

Zwei Euro Heizkosten pro Jahr? Unmöglich. Noch unglaubwürdiger wird die Geschichte, wenn man bedenkt, dass in diesem Preis auch schon die Kosten für Warmwasser, Kühlung und Beleuchtung abgedeckt sind. Keine Mär aus Architektenmunde, sondern Realität. Hieb- und stichfest, schwarz auf weiß. Spätestens dann, wenn der nächste Erlagschein für Strom und Gas ins Haus flattert.

Ort des Geschehens ist Wien Floridsdorf. In einem heimeligen Eck des Bezirks, abgeschieden von Autos und Passanten, wurde in den letzten zwei Jahren die sogenannte Energy-Base hochgezogen. Die ersten Mieter sind bereits eingezogen. Wie in einem Sciencefiction-Film sitzen die Mitarbeiter hinter einer geschuppten Fassade, Tür an Tür mit zierlichem Zyperngras, das in abgeschirmten Hightech-Glasboxen wacker gedeiht. Alles kein Zufall, alles keine Komposition zugunsten der Optik, sondern planerisches Kalkül der Spitzenklasse.
Die Energy-Base sei nicht nur ein energie- und ressourcenschonendes Bürohaus im Passivhausstandard, sondern Wegbereiter für die Zukunft des Bauens, sagt Gregor Rauhs, Projektleiter und Bauherrenvertreter für den Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF). "Die Grundidee für dieses Gebäude war die Überlegung: Wie würden wir morgen bauen, wenn sich die Energiepreise über Nacht plötzlich verdoppeln? Vor einigen Jahren war das noch ein Horrorszenario, heute sehen wir dieser Gefahr direkt ins Auge."

Begonnen hat die Sache mit dem harmlos klingenden Forschungsprojekt sunny research. Die Wiener pos architekten, allen voran Ursula Schneider und Fritz Öttl, wurden damit beauftragt, ein nachhaltiges Gebäudekonzept zu entwickeln. Jawohl, es klingt zum Gähnen. Nachhaltigkeit, das Unwort des vergangenen Jahres, man kann sich des Begriffs kaum noch erwehren. Doch die beiden warfen sich ins Zeugs und präsentierten ein Projekt fernab aller ästhetischen Konventionen, wiewohl mit ungeahnten Potenzialen.

Fassade mit Energiegewinnung

Die Schönheit entfaltet sich auf den zweiten Blick. Die gezackte Südfassade, gewöhnungsbedürftig wie alles andere an diesem Haus, entspringt keiner architektonischen Willkür, sondern ist durch und durch behirnt. Die flache Wintersonne dringt ungehindert in den Raum und verhilft dem Quecksilber zu wohligen Werten. Im Sommer jedoch, wenn die Sonne hoch im Himmel steht und zornig auf die Stadt hinunterknallt, trifft sie direkt auf die Fotovoltaik-Anlage an der Zackenoberseite. Doppelt gemoppelt: Die Flächen zur Energiegewinnung dienen gleichzeitig der Verschattung der Fenster.

"Kein Mensch bedenkt, dass im Sommer in herkömmlichen Büros ein Teil der Arbeitsplätze nicht nutzbar ist" , sagt Architektin Ursula Schneider, "trotz Jalousien kann man im unmittelbaren Bereich der Fassade nicht sitzen, ohne dass einem die Schweißperlen auf der Stirn stehen." Kein Problem in der Energy-Base. Hinzu kommt, dass das Tageslicht aufgrund der großräumlichen Struktur bis tief in die Gebäudemitte gelangt. Vorbei die Zeiten des finsteren Klogehens und Teekochens. Oberlichte lautet das Motto der Stunde, mit dem - auch auf diese Art - Strom gespart werden soll.

Das Ungewöhnlichste sind jedoch die bepflanzten Glasboxen mitten im Raum. Wie Grüße aus einer fernen Zukunft stehen sie da, verkabelt und verrohrt wie dereinst in Terry Gilliams Science-fiction-Film Brazil aus dem Jahre 1985. "Die Pflanzenpufferräume waren für den Bauherrn eine große Hürde" , erinnert sich Schneider, "letztlich hat er sich getraut."

Sie sind nicht nur der eingehauste Ersatz für den hässlichen Büroficus, der für gewöhnlich irgendwo im Weg steht und seine Blätter in die Gegend reckt, sondern dienen dem Klima und der Behaglichkeit. Insgesamt 500 Stück einer speziellen Zyperngras-Art versorgen die Mitarbeiter auf natürlichem Wege mit der nötigen Luftfeuchtigkeit. Ganz ohne künstliche Luftbefeuchtungsanlage, ganz ohne Surren und Rumor.

"Es ist weltweit das erste Mal, dass wir mit Pflanzen eine stundenweise prognostizierte Befeuchtungsleistung erbringen" , erklärt Schneider, "jede einzelne Pflanze wurde im Haustechnikkonzept berücksichtigt." Unsichtbar für die Mitarbeiter: Über Lüftungsschächte sind die grünen Gebäudelungen von Stockwerk zu Stockwerk miteinander verbunden. Lüftungsklappen regeln automatisch, wo die befeuchtete Luft gerade benötigt wird, während die Gräser im Warmen - unwissend ob ihres Nutzens - wachsen und sprießen.

Dies und noch viele andere Überlegungen im stillen Hintergrund drosseln die Energiepreise drastisch aufs Minimum herab. Zahlt man in einem herkömmlichen Bürohaus - und wir reden hier bereits vom guten Durchschnitt - weit über zehn Euro pro Jahr und Quadratmeter, um es im Winter warm und im Sommer kühl zu haben, kommt man in der Energy-Base mit 80 Prozent weniger Betriebskosten über die Runden.

Ohne Heizung und Klimaanlage

Das führt uns unweigerlich zum nächsten Punkt, zu den Baukosten. Mit 1300 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche liegt die Energy-Base laut österreichischem Baukostenindex (BKI) für Bürogebäude in diesem Ausstattungsstandard absolut im Mittel. Natürlich kann man auch billiger bauen. Doch dann schwitzt man im Sommer, gießt im Winter tonnenweise Öl in den Kesselschlund und muss den hohlen Klang von Stilettos auf billigem Laminat ertragen. Ursula Schneider: "Man kann einen BMW nicht mit einem Billigauto vergleichen, sehr wohl aber mit einem anderen BMW." Allein: Dieser Schlitten kommt ohne Heizkörper und Klimaanlage aus.

Die Energy-Base ist ein Statement. Man kann sie hübsch finden oder auch nicht. Dumm wird man sein, wenn man nicht endlich in anderen Maßstäben als nur diesen zu denken beginnt. Angesichts der globalen Zustände, was Klima und Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe betrifft, ist es höchste Zeit, die neuen Potenziale von Architektur und Ingenieursleistung im vollen Maße auszuschöpfen. Die Möglichkeiten sind bereits erprobt und liegen klar auf der Hand. Man muss nur wollen.

Der WWFF wollte. Im Dezember wurde er von der EU für seine Verdienste als Bauherr ausgezeichnet und ins Europäische Greenbuilding-Programm aufgenommen. (Wojciech Czaja, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 03./04.01.2009)