Wien - Auf den Verfassungsgerichtshof kommen 2009 gleich mehrere heikle Verfahren zu. Die Höchstrichter müssen etwa die Frage klären, ob die neuen Überwachungsrechte der Polizei zu weit gehen. In "Notfällen" darf die Polizei seit einem Jahr nämlich ohne richterliche Genehmigung auf Handy- und Internet-Daten zugreifen. Außerdem stehen die umstrittene Pensionserhöhung 2008, die Rückzahlungen beim Kindergeld-Zuschuss und die Strafen der Finanzmarktaufsicht gegen die Ex-Aufsichtsräte von Meinl European Land (MEL) auf dem Prüfstand, wie VfGH-Präsident Gerhart Holzinger im Gespräch mit der APA ankündigt.

Abfrage von Standortdaten

Das seit Anfang 2008 geltende neue Sicherheitspolizeigesetz erlaubt es den Behörden, in Notfällen die "Standortdaten" von Mobiltelefonen abzufragen. Auch für Internet-Verbindungen gibt es eine ähnliche Regelung. Die Betroffenen werden über die Abfragen der Polizei nicht informiert, auch richterliche Kontrolle gibt es nicht, was bereits zu Kritik der Richtervereinigung geführt hat. Datenschützer kritisieren die Regelung (Par. 53 Sicherheitspolizeigesetz) als zu schwammig, auch Telekomanbieter wehren sich. Der Verfassungsgerichtshof wird sich damit in seiner Märzsession befassen.

Ebenfalls an den Verfassungsgerichtshof gewandt haben sich frühere Mitglieder des Aufsichtsrates ("Board of Directors") von Meinl European Land. Wegen angeblicher Marktmanipulation im Zusammenhang mit einem verspätet gemeldeten Aktienrückkauf hat die Finanzmarktaufsicht hohe Geldstrafen bis zu 100.000 Euro über die Manager verhängt. Im Berufungsverfahren wurden die Entscheidungen der FMA zwar abgeändert, vom Unabhängigen Verwaltungssenat aber grundsätzlich bestätigt. Daher haben sich die Manager nun ans Verfassungsgericht gewandt.

Sie argumentieren unter anderem, dass der Begriff der "irreführenden Information" im Börsengesetz nicht ausreichend definiert sei und dass damit im Extremfall auch sachlich richtige Informationen als "irreführend" gewertet werden können.

Soziales

Außerdem stehen 2009 zwei Sozialthemen am Programm der Verfassungsrichter: Mehrere Gerichte haben den VfGH gebeten, die Rückzahlungsregelungen für den Kindergeldzuschuss zu prüfen. Sie halten die Regelung für so kompliziert, dass die Betroffenen selbst nicht abschätzen können, ob die für die Rückzahlung maßgebliche Einkommensgrenze überschritten wird. Insgesamt dürfte es 75.000 Betroffene geben.

Ebenfalls am Prüfstand steht die umstrittene Pensionserhöhung 2008: Sie sah die Anhebung der Mindestpensionisten um 2,9 Prozent vor (also deutlich über der Inflation). Wessen Pension aber unter der Mindestpension lag (etwa weil sein Partner über ein höheres Einkommen verfügte), der erhielt "nur" die Inflationsrate von 1,7 Prozent abgegolten. Holzinger will mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht beurteilen, ob das zulässig war. Nur so viel: "Man muss Gleiches gleich und Ungleiches differenziert behandeln. Wir werden sehr bald und sehr klar sagen, was aus unserer Sicht die Verfassung gebietet."

Schließlich haben die Verfassungsrichter noch zwei Geldfragen im Gesundheitssystem zu klären: Ein Medikamentenhändler hat gegen die sogenannten "Zwangsrabatte" zur Finanzierung des Gesundheitssystems geklagt. Und die Wiener Gebietskrankenkasse fordert von der Gemeinde Wien 47 Mio. Euro zur Finanzierung des Hanusch-Krankenhauses. Es handelt sich dabei um die Kosten für die Betreuung der "Fremdpatienten" (also z.B. aus Niederösterreich) seit 1997. Weil sich Gemeinde und Krankenkasse nicht einigen konnten, sollen nun die Verfassungsrichter klären, wer die Kosten übernehmen muss. (APA)