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Foto: Reuters, Montage: Beigelbeck

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Mit plumpen Namensähnlichkeiten begnügen sich Fälscher nicht mehr, auch sie werden kreativ.

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Paris - Das Geschäft mit imitierten Parfums floriert. Laut Branchenschätzungen erzielen Billigkopien heute ebenso viel Umsatz wie die echten Produkte selbst. Dazu trägt maßgeblich der Internethandel bei. Die Kopiermethoden werden immer ausgefeilter. Vorbei die Zeiten, als Hobbychemiker im Küchenlabor biedere Duftstoffe mischten und ihre Tinkturen dann als "Chenal Nr. 5" in den Schwarzhandel brachten. Wahre Chanel-Kundinnen ließen sich davon ohnehin nicht beirren.

In jüngster Zeit legten die Nachahmer - meist aus Osteuropa oder Fernost - etwas mehr Phantasie an den Tag und machten aus Diors "Fahrenheit" zum Beispiel "Température"; "Drakkar" von Guy Laroche wurde zu "Viking", wobei die Fälscher sogar Geschichtssinn bewiesen - ein Drakkar ist in der Tat ein Wikingerschiff. Die Besitzer der Originalmarken, oft Großkonzerne wie LVMH (Dior) oder L'Oréal (Guy Laroche), gingen trotzdem systematisch vor Gericht, wenn die Plagiatsabsicht offenkundig war. Doch die Imitatoren sind einen Schritt weiter. "Sie sind auch technisch viel besser geworden", meint der Anwalt Denis Monégier du Sorbier. "Diese Profis sind heute sogar in der Lage, den Parfuminhalt nachzuahmen, selbst wenn er aus Dutzenden von Bestandteilen zusammengesetzt ist."

Valeur statt Trésor

Der Spezialist in Sachen Raubkopien verliert deswegen nicht seine gute Laune: "Keine Sorge, wir finden auch dagegen Mittel und Wege." Im November erwirkte er in Paris ein Gerichtsurteil gegen die in Belgien domizilierte Firma Bellure, die in Dubai unter anderem Markenparfums von Lancôme (gehört zu L'Oréal) imitierte. So wurde etwa Lancômes Hit "Trésor" zu "Valeur", wobei das Glasflakon die Originalform eines umgekehrten Trapezes behielt und nur die lachsrote Farbe ins Orange verfärbte. Der Inhalt war aber nahezu deckungsgleich. Monégier du Sorbier legte dem Gericht eine Gas-Chromatographie vor, wonach das Original aus 52 Essenzen besteht - und die Kopie deren 50 enthält.

Auch das Gericht, das ähnliche Klagen zum Schutz des geistigen Eigentums stets abgewiesen hatte, konnte sich dem Umstand nicht länger verschließen, dass dies stark nach Nachahmung roch. Monégier du Sorbier überzeugte sie, wie er erzählt, dass ein Parfum mehr als Chemie sei: "Am ehesten lässt sich eine kreative Duftnote mit einer Musiksymphonie vergleichen."

Auch die Handelsrichter werden nun zu "Nasen" - wie Parfumhersteller im Jargon heißen - und lernen den olfaktorischen Unterschied zwischen Bergamott, Jasmin, Patschuli, Koriander oder Tuberose. Im Fall L'Oréal/Bellure kommt das Urteil zum Schluss, dass die "Komposition eines Parfum-Autors" einer "Musikpartitur" gleiche. Die Kopierfirma muss deshalb acht Millionen Euro Schadenersatz an L'Oréal zahlen. Oder müsste: Das Unternehmen hat mittlerweile Konkurs angemeldet. Branchenexperten befürchten, das sei nur geschehen, um unter einem neuen Namen weiterzukopieren.

Für die Parfumkonzerne geht der Kampf also weiter. Selbst in Frankreich, wo wegen der nationalen Parfumindustrie die meisten Urteile in dieser Frage ergehen, setzt sich nur langsam die Meinung durch, dass einem Spitzenparfum ein ähnlicher Wert wie einer Sonate oder einem Gemälde innewohne. Der letztinstanzliche Kassationshof von Paris verweigerte den "Nasen" bisher jeden Kunstanspruch. Seine Begründung lautet, vereinfacht gesagt, dass es einem Parfumhersteller nicht um einen kreativen oder geistigen Ausdruck gehe - sondern ums Geschäft.

Opern und Kommerz

Doch dies könnte sich nach dem Bellure-Urteil nun ändern. Monégier du Sorbier will auf jeden Fall nicht lockerlassen und das nächste Mal das Argument vorbringen, auch Verdis Opern würden kommerziell genutzt. Und welcher Richter möchte schon entscheiden, ob Beethovens Fünfte verbreiteter ist als Chanels Fünftes? (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Printausgabe, 2.1.2009)